Zurück in die Zukunft
Wir werden unsere Allianzen reparieren und uns wieder in der Welt engagieren,« verkündete US-Präsident Joe Biden feierlich während seiner Amtseinführung am 20. Januar dieses Jahres. Die Welt hat Amerikas positives Potenzial, sich in den Vereinten Nationen zu engagieren, in den letzten vier Jahren vermisst. Die destruktive UN-Politik unter der Präsidentschaft Donald Trumps hat tiefe Risse im Fundament der Vereinten Nationen als Nukleus des Multilateralismus hinterlassen. Noch am ersten Tag seiner Amtszeit nahm Biden bezogen auf die UN zwei wichtige Entscheidungen zurück: Erstens verkündete er die Rückkehr zum Pariser Übereinkommen über Klimaänderungen und zweitens stoppte er den Austrittsprozess aus der Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization – WHO). Dies sind wichtige Schritte, um drängenden Herausforderungen der Menschheit gemeinsam begegnen zu können und gleichzeitig das Vertrauen der internationalen Gemeinschaft zurückzugewinnen.
Dieses Vertrauen wurde unter Trumps ›Amerika zuerst‹-Politik weitgehend zerstört. Kaum ein anderer US-Präsident seit dem Jahr 1945 hat die Weltorganisation derart kritisiert, kaum eine US-Regierung hat sich so umfassend aus dem UN-System zurückgezogen und damit die internationale Zusammenarbeit beeinträchtigt wie der 45. US-Präsident. Dazu zählen die Verweigerung gegenüber internationalen Abkommen, der Rückzug aus UN-Gremien oder das systematische Zurückhalten finanzieller Mittel. Die Bereitschaft, Konflikte wieder anzuheizen, zeigte sich beispielsweise mit dem unilateralen Austritt aus dem Gemeinsamen umfassenden Aktionsplan mit Iran (Joint Comprehensive Plan of Action – JCPOA) oder der Verlegung der US-Botschaft in Israel von Tel Aviv nach Jerusalem. Die USA haben sich in dieser Zeit als in höchstem Maße unzuverlässiger Verhandlungspartner erwiesen und zugleich durch ihren Rückzug aus den UN ein politisches Vakuum hinterlassen, das Staaten wie China gerne bereit waren zu füllen. Der Flurschaden ist immens – das gab es zuletzt nur unter US-Präsident George W. Bush in den 2000er und Präsident Ronald Reagan in den 1980er Jahren.
Joe Biden wird es zunächst weniger um große außenpolitische Visionen gehen. Seine Aufgabe ist es jetzt, schnellstmöglich außenpolitische Aufräumarbeiten zu leisten und die entstandenen Schäden zu beheben. Dass er dazu bereit ist, zeigen nicht nur seine ersten Maßnahmen, sondern auch sein außenpolitisches Personal. Die neue Ständige Vertreterin der USA bei den Vereinten Nationen in New York, Linda Thomas-Greenfield, steht dafür exemplarisch. Die frühere Berufsdiplomatin, die nun den wichtigen Kabinettsrang in der Regierung erhalten hat, war unter Präsident Barack Obama Vize-Unterstaatssekretärin für afrikanische Angelegenheiten im US-Außenministerium und davor Botschafterin in Liberia. Zudem war sie mit Personalfragen im Außenministerium beschäftigt und steht für die Professionalisierung des amerikanischen diplomatischen Dienstes, der unter Trump förmlich ausblutete: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter warfen frustriert das Handtuch und waren nicht mehr bereit, die USA zu repräsentieren.
Der neue Präsident Biden steht vor einer fast unlösbaren Aufgabe: Er muss nicht nur das Land innenpolitisch wieder einen. Biden muss auch dafür sorgen, dass er im US-Kongress die Mehrheiten für ein größeres UN-Engagement erhält. Derzeit ist dies möglich, in zwei Jahren jedoch könnten eine oder beide Kammern im US-Kongress wieder republikanisch geführt werden. Viel Zeit bleibt ihm also nicht. Am wichtigsten ist es jedoch im Hinblick auf die UN-Politik, das internationale Vertrauen in die USA wiederherzustellen. Das wird die wahrscheinlich schwierigste Aufgabe werden.
Weitere Informationen zum Thema sind hier zu finden: DGVN-Mitteldeutschland, UNhörbar-Podcast, 22.1.2021.