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Wie kann künstliche Intelligenz global gesteuert werden?

Künstliche Intelligenz (KI) verändert unsere Gesellschaften und hat enorme wirtschaftliche und soziale Auswirkungen. Ihre rasante Entwicklung birgt aber auch Risiken. Eine globale Institution zur Steuerung der KI ist daher dringend erforderlich, um Anstrengungen zu bündeln und eine verantwortungsvolle Entwicklung zu gewährleisten.

Wissenschaftliche Beirat des Generalsekretärs berät UN-Führungskräfte
er Wissenschaftliche Beirat des Generalsekretärs berät UN-Führungskräfte zu wissenschaftlichen und technologischen Entwicklungen sowie zu den Risiken von künstlicher Intelligenz, Biotechnologie und Klimawandel. UN Photo/Mark Garten

Der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) hat einen tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandel eingeleitet. Diese technologische Revolution ist nicht nur ein wirtschaftliches Phänomen, sondern hat auch enorme Auswirkungen auf soziale Strukturen, Governance und Nachhaltigkeit. Innerhalb des UN-Systems wird KI strategisch eingesetzt.[1] Derzeit setzen 47 UN-Entitäten künstliche Intelligenz aktiv ein und führen damit Projekte durch, die auf die Erreichung der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals – SDGs) ausgerichtet sind.[2] Die Einbindung von KI in internationale Strukturen fördert nicht nur Innovationen, sondern auch die internationale Zusammenarbeit für eine nachhaltigere Zukunft.

Jedoch birgt der Einsatz von künstlicher Intelligenz auch erhebliche Risiken. KI kann die digitale Kluft vertiefen, Desinformation verbreiten, die Privatsphäre gefährden sowie den Frieden und die internationale Sicherheit beeinträchtigen. Die Internationale Atomenergie-Organisation (International Atomic Energy Agency – IAEA) prognostiziert, dass sich der weltweite Stromverbrauch von Rechenzentren in den Jahren 2022 bis 2026 auf 1000 Terawattstunden verdoppeln wird. Das entspricht dem jährlichen Gesamtstromverbrauch Japans.[3] Menschenrechtsverletzungen, einschließlich Diskriminierung und Stereotypisierung, haben mit der Einführung generativer KI-Technologien zugenommen.[4] Diese problematischen Entwicklungen verdeutlichen, dass ein robuster globaler Governance-Rahmen für KI dringend notwendig ist, der unterstreicht, dass sich die internationale Gemeinschaft über die außerordentliche Bedeutung dieser Technologie einig ist.

Bislang erfolgte die Steuerung der KI eher unkoordiniert in Form von Selbstregulierung der Technologieunternehmen und uneinheitlichen nationalen Regelungen, denen es häufig an Kohärenz und Interoperabilität mangelt. Bemühungen, einen kohärenten globalen Rahmen zu schaffen, gab es bisher nur vereinzelt. Die Initiative des UN-Generalsekretärs für einen Globalen Digitalpakt, der gemeinsame Grundsätze für eine offene, freie und sichere digitale Zukunft festlegen soll, hat dieser Diskussion jedoch neuen Schwung verliehen. Jetzt bietet sich mit dem erneuerten Bekenntnis zum Multilateralismus und einer stärkeren Fokussierung auf KI-Governance im Zuge des UN-Zukunftspakts die einmalige Gelegenheit, eine robuste globale KI-Architektur zu entwickeln. 

Die Evolution der KI-Governance 

Eine Umfrage der Internationalen Fernmeldeunion (International Telecommunication Union – ITU) hat ergeben, dass 85 Prozent der 193 UN-Mitgliedstaaten keine spezifischen Regelungen oder Strategien für KI haben.[5] Besonders deutlich wird dieses Defizit im Vergleich zwischen Industrieländern und Ländern des Globalen Südens. Die Entwicklungsländer stehen vor großen Herausforderungen.[6] Dazu gehört beispielsweise eine mangelhafte digitale Infrastruktur, die eine erfolgreiche Entwicklung und Einführung von KI-Systemen behindert. Auch die Diskussionen, die im Zusammenhang mit dem Globalen Digitalpakt geführt wurden, haben eine deutliche Kluft zwischen dem Globalen Norden und dem Globalen Süden aufgezeigt. Die Länder des Südens fordern einen Technologietransfer als Voraussetzung für Entwicklung und ihr Recht, am globalen Wettbewerb teilzunehmen. Auf regionaler Ebene ist die Regulierung von KI derzeit stark fragmentiert.[7] Multilaterale Initiativen spiegeln das wachsende Engagements der Mitgliedstaaten wider, einen kollektiven Governance-Rahmen für KI im Sinne ihrer nationalen Interessen zu verfolgen.[8]

Die Vereinten Nationen beobachten die Entwicklung im Bereich künstlicher Intelligenz aufmerksam und beteiligen sich durch mehrere maßgebende Initiativen aktiv an der Ausgestaltung ihrer Regulierung. Im Jahr 2018 richtete der UN-Generalsekretär eine Hochrangige Gruppe für digitale Zusammenarbeit (High-level Panel on Digital Cooperation) ein, die wichtige Empfehlungen zur digitalen Governance, einschließlich der KI, vorlegte.[9] Die Einrichtung dieses Gremiums ist ein Meilenstein im internationalen Diskurs über die digitale Governance. Ziel der Initiative ist es, einen Mechanismus zu schaffen, der die Zusammenarbeit zwischen Nationen und Interessengruppen in den Vordergrund stellt. Der Bericht der Gruppe im Jahr 2019 unterstrich den dringenden Bedarf an einem globalen, inklu­siven und transparenten Rahmen für die KI-Governance.[10]

Die Empfehlungen der Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization – UNESCO) zu künstlicher Intelligenz aus dem Jahr 2019 wurden von den Mitgliedstaaten im Jahr 2021 angenommen.[11] Dies signalisiert das kollektive Verständnis, dass die Entwicklung von KI verantwortungsbewusst und unter Einhaltung der Menschenrechte und Ethikstandards stattfinden muss. Das Bekenntnis zu einer verbesserten digitalen Zusammenarbeit wurde anlässlich des 75. Bestehens der UN im Jahr 2020 erneuert und mündete im September 2024 im Globalen Digitalpakt als Teil des Zukunftspaktes.[12] Parallel zu diesen Entwicklungen wurden mit der Einrichtung des Hochrangigen Beirats für effektiven Multilateralismus (High-level Advisory Board on Effective Multilateralism – HLAB) im Jahr 2021 und des Hochrangigen Beratungsgremiums für KI (HLAB on AI) im Jahr 2023 wichtige Fortschritte in den Diskussionen über eine effektive KI-Governance erzielt.[13] Diese Gremien dienen als Plattformen für die internationale Zusammenarbeit, fördern den Dialog zwischen verschiedenen Interessengruppen und befassen sich mit Fragen der Gerechtigkeit, Rechenschaftspflicht und Transparenz von KI-Systemen. Ergänzend zu diesen Bemühungen haben die UN im Jahr 2024 ein Weißbuch zum Thema KI-Governance veröffentlicht, das eine umfassende Analyse der aktuellen Herausforderungen enthält und umsetzbare Empfehlungen zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung durch verantwortungsvolle KI-Praktiken bietet.[14] Die Verabschiedung von zwei Resolutionen durch die Generalversammlung im Jahr 2024, die sich speziell mit der KI-Governance befassen, spiegelt ebenfalls das wachsende internationale Engagement für dieses wichtige Thema wider.[15]

Weiterhin zögern einige Mitgliedstaaten, die Einrichtung eines speziellen UN-Gremiums für KI-Governance zu unterstützen.

Die Verhandlungen zum Globalen Digitalpakt haben dem Thema KI-Governance innerhalb des Systems der Vereinten Nationen wichtige Impulse gegeben. Dieser Rahmen, der auf gemeinsame Grundsätze für eine offene, freie und sichere digitale Zukunft abzielt, bietet den Mitgliedstaaten zum ersten Mal die Möglichkeit, sich innerhalb einer komplexen Struktur fragmentierter Regelungen gemeinsam mit der KI-Governance zu befassen. Obwohl diese Verhandlungen viel Schwung in die Diskussion gebracht haben, zögern einige Mitgliedstaaten weiterhin, die Einrichtung eines speziellen UN-Gremiums für KI-Governance zu unterstützen. Der Generalsekretär setzt sich aber weiterhin für eine solche Organisation ein und orientiert sich dabei an erfolgreichen Modellen wie der IAEA und dem Zwischenstaatlichen Ausschuss für Klimaänderungen (Intergovernmental Panel on Climate Change – IPCC).[16] Er argumentiert, dass ein Sonderorgan es den Staaten ermöglichen würde, die Potenziale der KI auszuschöpfen und gleichzeitig die Einhaltung international vereinbarter Governance-Mechanismen zu gewährleisten. Dennoch gibt es nach wie vor Widerstand, insbesondere von einflussreichen Staaten wie den USA.

Die Bedenken einiger Mitgliedstaaten betreffen die vermeintlich verfrühte Schaffung neuer Mechanismen, ohne dass die bestehenden Kompetenzlücken der UN-Organisationen im Bereich der KI-Überwachung umfassend evaluiert wurden.[17] Darüber hinaus erschweren Bedenken hinsichtlich möglicher Doppelarbeit die Konsensfindung. Im Verlauf der Diskussionen wurde deutlich, dass die transformative Rolle der KI in der Gesellschaft zwar weitgehend anerkannt wird. Eine effektive Governance erfordert jedoch die Überwindung erheblicher politischer Hürden und die Förderung der Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Interessengruppen.

Globale Institution für KI-Governance notwendig 

Um die Vorteile von KI voll ausschöpfen zu können, muss ihre Sicherheit gewährleistet und müssen ihre negativen Auswirkungen überwacht werden. Eines der drängendsten Probleme ist die mögliche Verletzung von Menschenrechten. So etwa zahlen Unternehmen wie OpenAI ihren Angestellten in Entwicklungsländern wie Kenia für die Datenerfassung nicht mehr als zwei Dollar pro Stunde.[18] Diese Praxis wirft ethische Fragen in Bezug auf faire Arbeitsstandards und Ausbeutung in einer globalisierten Wirtschaft auf. Darüber hinaus können KI-Systeme eine erhebliche Bedrohung für die Cybersicherheit darstellen, insbesondere für kritische Infrastrukturen wie Stromnetze und Gesundheitssysteme. Mit der zunehmenden Integration von KI-Technologien in kritische Dienste steigt auch deren Anfälligkeit für Cyber-Angriffe. Böswillige Akteure können die Schwachstellen von KI ausnutzen, um den Betrieb zu stören oder Daten zu manipulieren und so die öffentliche und nationale Sicherheit von Staaten zu gefährden.

Da es sich bei der KI um eine Technologie für vielfältige Anwendungsbereiche handelt, erweist es sich als schwierig, allgemeingültige Regeln aufzustellen. Die Einrichtung einer Koordinierungsstelle könnte deshalb die Möglichkeiten der UN verbessern, ihre bestehenden Initiativen voranzubringen, Doppelarbeit zu minimieren und einen kohärenten und effektiven Ansatz für die KI-Governance zu gewährleisten.

Der Vorschlag für ein UN-Koordinationsbüro

Die Mitgliedstaaten weisen darauf hin, wie wichtig es ist, die Mandate der bestehenden Organisa­tionen zu respektieren, um unnötige thematische Überschneidungen und Doppelarbeit zu vermeiden. Trotzdem ist eine stärkere Kohärenz zwischen den UN-Organisationen, insbesondere im Bereich der künstlichen Intelligenz, dringend erforderlich. Jede Organisation verfügt über eigene Stärken und hat KI auf unterschiedliche Weise in ihre Arbeit integriert. Ein UN-Koordinierungsbüro für KI könnte die Leistungsfähigkeit der UN bei der Erfüllung ihrer Aufgaben erheblich verbessern. 

Ein Vorbild für die Einrichtung eines UN-Büros für die Koordinierung künstlicher Intelligenz könnte das Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (Office for the Coordination of Humanitarian Affairs – OCHA) und dessen Organisationsstruktur sein. So wie das OCHA globale Nothilfeeinsätze koordiniert, um Menschenleben während humanitärer Krisen zu schützen, könnte ein ähnlicher Ansatz für die KI-Governance adaptiert werden. Die rasante Entwicklung der KI-Technologie erfordert einen flexiblen und reaktionsschnellen Governance-Rahmen. Diese Herausforderung kann eine traditionelle Institution nur schwer bewältigen.

Ein UN-Büro für die Koordinierung künstlicher Intelligenz (UN Office for the Coordination of Artificial Intelligence – OCAI) könnte in Zusammenarbeit mit nationalen und internationalen Akteuren wirksame, prinzipienorientierte Maßnahmen entwickeln und abstimmen. Es könnte die Mitgliedstaaten dabei unterstützen, Rahmenbedingungen für die Entwicklung von KI zu schaffen, den Einsatz von KI in unterschiedlichen Kontexten zu optimieren, wirksame nationale Regelungen umzusetzen und die multilaterale Zusammenarbeit zu fördern. Wie das OCHA würde auch das OCAI eine entscheidende Rolle bei der Koordinierung und Interessenvertretung im Bereich künstlicher Intelligenz übernehmen, die Wirksamkeit von Projekten und Initiativen verbessern und den Kernauftrag der Vereinten Nationen – Weltfrieden und internationale Sicherheit, Menschenrechte und nachhaltige Entwicklung zu fördern – unterstützen.

Ähnlich dem Modell des OCHA könnte ein künftiges OCAI als Sekretariat für einen Ständigen interinstitutionellen Ausschuss (Inter-Agency Standing Committee – IASC) fungieren. Dadurch könnten die Koordinierung, Strategieentwicklung und Entscheidungsfindung zwischen UN-Einrichtungen und externen Akteuren, die an der Steuerung von KI beteiligt sind, erleichtert werden. Das IASC hätte die Aufgabe, Strategien zu formulieren, strategische Prioritäten zu setzen und Ressourcen zu mobilisieren, um den Bedürfnissen der einzelnen Staaten im Bereich KI gerecht zu werden.[19] Außerdem könnte es eine Reihe von Cluster einrichten. Jedes Cluster wird – je nach Arbeitsbereich – von einer bestimmten UN-Sonderorganisation geleitet – ähnlich wie die Weltgesundheits­organisation (World Health Organization – WHO) Initiativen im Gesundheitsbereich leitet.[20] Das OCAI würde als Sekretariat für eine clusterübergreifende Koordinierungsgruppe dienen und die Anstrengungen zur Umsetzung von KI harmonisieren, indem die Zuständigkeiten für die KI-Governance an verschiedene Organisationen delegiert werden. Dieser Ansatz ermöglicht es, die spezifischen Stärken und Fachkenntnisse der einzelnen Organisationen wirksam zu nutzen, um die Kapazitäten der Mitgliedstaaten im Bereich der künstlichen Intelligenz zu stärken, Prioritäten besser zu setzen und Doppelarbeit zu vermeiden. Ein solches Modell würde im Einklang mit den Forderungen der Mitgliedstaaten nach mehr Kohärenz und Effizienz stehen. Abbildung 1 veranschaulicht den vom OCHA angewandten Cluster-Ansatz.

Clusterübergreifende Treffen dienen den UN-Einrichtungen als wichtige Plattform für den Informationsaustausch, die Festlegung gemeinsamer Standards und die Verbreitung bewährter Verfahren. Darüber hinaus können bestehende Defizite gemeinsam evaluiert und Doppelarbeit reduziert werden. Dadurch würde ein kohärenteres und komplementäres Vorgehen im Bereich der KI-Governance gefördert. Die Treffen ermöglichen es den Koordinatoren auch, die Mittelbeschaffung für zielgerichtete Initiativen zu optimieren und sicherzustellen, dass die Ressourcen effektiv und strategisch eingesetzt werden. Unter dem Dach des OCAI könnten derartige Cluster auf der umfangreichen Arbeit aufbauen, die bereits von der UNESCO, der ITU und anderen UN-Organisationen geleistet wird. 

KI ist eine Technologie für vielfältige Anwendungsbereiche und es ist schwierig, allgemeingültige Regeln aufzustellen.

Diese Cluster würden eine entscheidende Rolle bei der Durchführung von Bedarfsermittlungen und Defizitanalysen sowohl innerhalb der einzelnen Cluster als auch clusterübergreifend ausüben. Durch die Ausarbeitung von Prioritäten auf der Grundlage einer umfassenden Analyse könnten Länder und regionale Gremien so bei der Formulierung von regionalen und nationalen Strategien für die Entwicklung und Regulierung von KI-Systemen unterstützt werden.[21] Darüber hinaus könnten eine Reihe zuverlässiger und skalierbarer Dienste angeboten werden, die die Achtung der Menschenrechte fördern und sicherstellen, dass die Entwicklung der KI ethischen Standards und nachhaltigen Praktiken entspricht.

Möglich wäre in diesem Kontext auch, dass die UN die bereits tätigen Residierenden Koordinatoren einbeziehen oder spezielle KI-Koordinatoren auf Länderebene einsetzen, die als zentrale Kontaktpersonen fungieren und für ein effizientes und koordiniertes Management von KI-Initiativen sorgen. Das OCAI könnte die Prozesse straffen und die operative Koordination verbessern, indem es die UN-Organisationen unter einem gemeinsamen Ziel zusammenführt. Auf diese Weise würden die internationalen Diskussionen mit fundierten Analysen untermauert und die Normen und Praktiken im Bereich der künstlichen Intelligenz vorangetrieben. Darüber hinaus könnte das OCAI sich abzeichnende Trends beobachten, Konsens in wichtigen politischen Fragen fördern und die Lobbyarbeit unterstützen.

Auf Ersuchen eines Entwicklungslands würde das OCAI beispielsweise in mehreren Phasen ein Konzept für die Verbesserung der Kapazitäten im Bereich der künstlichen Intelligenz umsetzen. In der ersten Phase, der digitalen Entwicklung, könnten mehrere Cluster zusammenarbeiten, um eine leistungsfähige digitale und datenbasierte Infrastruktur aufzubauen. Die Weltbank oder der Internationale Währungsfonds (International Monetary Fund – IMF) könnten etwa in eine digitale Infrastruktur und in Projekte zur Armutsbekämpfung investieren, UNICEF und die Internationale Arbeitsorganisation (International Labour Organization – ILO) könnten sich auf die Entwicklung digitaler Kompetenzen für Jugendliche und Einzelpersonen konzentrieren und die ITU könnte die Konnektivität und die Einführung digitaler Standards fördern. In der darauffolgenden Phase, der KI-Entwicklung, würden die nationalen Regierungen mit der UNESCO zusammenarbeiten, um ethische KI-Praktiken zu etablieren, mit UN Women, um die Geschlechterperspektive einzubeziehen, mit dem UN-Umweltprogramm (United Nations Environment Programme – UNEP), um die Auswirkungen auf die Umwelt anzugehen, und mit der ITU, um KI-Standards festzulegen. In der Umsetzungsphase könnte das Amt des Hohen Flüchtlingskommissariats der Vereinten Nationen (Office of the United Nations High Commissioner for Refugees – UNHCR) Richtlinien für den Einsatz von KI im Einklang mit internationalen Menschenrechtsstandards formulieren, das Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (United Nations Office on Drugs and Crime – UNODC) und das Büro zur Terrorismusbekämpfung (Office of Counter-Terrorism – UNOCT) könnten den sicheren Einsatz von KI überwachen und das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations Development Programme – UNDP) würde den Einsatz von KI bei der Verwirklichung der SDGs vorantreiben.

Risiken und Alternativen

Die Einrichtung eines Büros für die Koordinierung künstlicher Intelligenz wird maßgeblich davon abhängen, inwiefern es gelingt, die Bemühungen einer Vielzahl von Akteuren, einschließlich verschiedener UN-Organisationen, Regierungsstellen, privatwirtschaftlicher Unternehmen und der Zivilgesellschaft zu vereinen. Ähnlich wie das OCHA würde auch das OCAI vor der Herausforderung stehen, die Zusammenarbeit innerhalb dieser fragmentierten Interessengemeinschaft voranzutreiben. Der Erfolg des OCHA beruht in hohem Maße darauf, wie gut es ihm gelingt, die verschiedensten Akteure in humanitäre Maßnahmen einzubinden; und dieses Engagement ist häufig vom politischen Willen und der Bereitschaft dieser Akteure abhängig.[22] Wie erfolgreich ein OCAI-Büro sein würde, würde davon abhängen, in welchem Umfang es finanziert wird. Folglich würde sich auch das OCAI in einem komplexen Interessengeflecht wiederfinden, in dem konkurrierende Prioritäten und divergierende Ziele einer effektiven Koordinierung im Wege stehen.

Eine der größten Herausforderungen für das OCAI wäre seine begrenzte Befugnis, die Einhaltung der Richtlinien durch die Akteure durchzusetzen.[23] Ein solches Amt könnte zwar den Dialog fördern und sich für ein kooperatives Umfeld einsetzen, hätte aber möglicherweise nicht die nötigen Befugnisse, um die Einhaltung zu erzwingen oder sicherzustellen, dass alle Parteien ihren Verpflichtungen nachkommen. Trotz seiner wichtigen Rolle bei der Koordinierung humanitärer Maßnahmen hat auch das OCHA oft Schwierigkeiten, die verschiedenen Organisationen auf ein gemeinsames Ziel auszurichten.

Das OCAI würde vor der Herausforderung stehen, die Zusammenarbeit dieser fragmentierten Interessengemeinschaft voranzutreiben.

Der Cluster-Ansatz zielt darauf ab, die sektorübergreifende Koordinierung der humanitären Hilfe zu verbessern, weist jedoch mehrere Grenzen auf, die seine Wirksamkeit insgesamt beeinträchtigen. Die Erfahrungswerte des OCHA zeigen, dass es bei der Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Sektoren häufig an Kohärenz mangelt, was vor allem auf unzureichende Mechanismen hinsichtlich der Rechenschaftspflicht innerhalb der einzelnen Ressorts und ihrer federführenden Organisation zurückzuführen ist.[24] Dieser Mangel an Rechenschaftspflicht kann zu einer fragmentierten Umsetzung der Maßnahmen führen und somit eine kohärente und wirksame Intervention verhindern. Ohne klar definierte Zuständigkeiten und strenge Überwachung operieren die Cluster möglicherweise losgelöst voneinander, was die Gesamtwirkung der humanitären Maßnahmen schmälert und die potenziellen Vorteile eines koordinierten Vorgehens untergräbt.

Verschiedene Akteure haben alternative Vorschläge unterbreitet, wie etwa die Einrichtung einer Organisation für künstliche Intelligenz nach dem Vorbild etablierter Organisationen wie der IAEA und des IPCC.[25] Der UN-Generalsekretär schließt sich diesen Überlegungen an und bekräftigt, dass ein globales, verbindliches Gremium zur Überwachung der Weiterentwicklung von KI erforderlich ist. Ein solches Gremium würde nicht nur die bewährten Praktiken standardisieren, sondern auch regulatorische Rahmenbedingungen für den Einsatz von KI-Technologien schaffen und somit potenzielle Risiken minimieren, die mit der vielfältigen Nutzung verbunden sind. 

Schaffung von Rahmenbedingungen für die Zusammenarbeit

Die Vereinten Nationen haben sich als entscheidender Akteur bei der Gestaltung des weltweiten Umgangs mit künstlicher Intelligenz positioniert. Mit ihren Bemühungen um ethische Standards und den Schutz der Menschenrechte bei der Nutzung von KI wollen die UN nicht nur mögliche Schäden begrenzen, sondern auch die transformative Kraft der Technologie zum Wohle der Gesellschaft nutzen. Im Zuge der fortschreitenden Entwicklung von KI ist eine kontinuierliche Zusammenarbeit der Staaten unabdingbar, um die komplexen Zusammenhänge verantwortungsvoll zu steuern. Ein zentrales UN-Büro, ein OCAI, kann als eine Plattform dienen. Durch die Schaffung eines internationalen Rahmenwerks, das die Zusammenarbeit der Staaten koordiniert, kann dieses Büro Redundanzen in der Forschung, Entwicklung und Umsetzung von KI-bezogenen Projekten vermeiden.

Darüber hinaus könnte das vorgeschlagene UN-Büro den Austausch von bewährten Praktiken und Erfahrungen zwischen den Mitgliedstaaten erleichtern. Jeder Staat hat beim Umgang mit künstlicher Intelligenz seine eigenen Prioritäten, die von kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Gegebenheiten beeinflusst werden. Durch koordinierte Maßnahmen können diese unterschiedlichen Ansätze unter Wahrung der Souveränität der einzelnen Staaten in Einklang gebracht werden. Ferner ist es wichtig, die Initiativen der einzelnen Staaten zu konsolidieren, um globale Belange wie ethische Standards, Sicherheitsrisiken und rechtliche Rahmenbedingungen für KI-Technologien zu berücksichtigen. Das UN-Büro könnte eine entscheidende Rolle bei der Festlegung globaler Normen übernehmen und gleichzeitig Flexibilität für lokale Anpassungen zulassen. Durch die Anpassung nationaler Politiken an internationale Richtlinien, die durch Konsensbildungsprozesse innerhalb des Büros entwickelt würden, könnten die Mitgliedstaaten die komplexen Herausforderungen der KI-Governance effektiver bewältigen.

Aus dem Englischen von Monique Lehmann.


[1] Siehe dazu den Beitrag von Katharina Höne und Martin Wählisch in diesem Heft.

[2]International Telecommunication Union (ITU), United Nations Activities on Artificial Intelligence (AI) 2023, www.itu.int/dms_pub/itu-s/opb/gen/S-GEN-UNACT-2023-PDF-E.pdf

[3]Terry F. Yosie, AI Data Centers Are Undermining Climate Solutions, Trellis, 8.7.2024, trellis.net/article/ai-data-centers-are-undermining-climate-solutions/

[4]UN Human Rights Office of the High Commissioner (OHCHR), Artificial intelligence Must be Grounded in Human Rights, says High Commissioner, 12.7.2023, www.ohchr.org/en/statements/2023/07/artificial-intelligence-must-be-grounded-human-rights-says-high-commissioner

[5]ITU, AI Governance Day – From Principles to Implementation, 2024 Report, s41721.pcdn.co/wp-content/uploads/2021/06/2401225_AI_Governance_Day_2024_Report-E.pdf

[6]ITU, New Global Connectivity Data Shows Growth, But Divides Persist, 27.11.2023, www.itu.int/en/mediacentre/Pages/PR-2023-11-27-facts-and-figures-measuring-digital-development.aspx

[7]European Parliament, EU AI Act: First Regulation on Artificial Intelligence, 8.6.2023, www.europarl.europa.eu/topics/en/article/20230601STO93804/eu-ai-act-first-regulation-on-artificial-intelligence and African Union (AU), Continental Artificial Intelligence Strategy, 9.8.2024, au.int/en/documents/20240809/continental-artificial-intelligence-strategy

[8]Ministry of Foreign Affairs of Japan, G7 Leaders’ Statement on the Hiroshima AI Process, 30.10.2023, www.mofa.go.jp/ecm/ec/page5e_000076.html

[9]UN Secretary-General’s High-level Panel on Digital Cooperation, www.un.org/en/sg-digital-cooperation-pane

[10]Ebd., The Age of Digital Interdependence, Report, www.un.org/en/pdfs/DigitalCooperation-report-for%20web.pdf

[11]UNESCO, Recommendation on the Ethics of Artificial Intelligence, 16.5.2023, www.unesco.org/en/articles/recommendation-ethics-artificial-intelligence

[12]›UN75‹ Declaration on the Commemoration of the Seventy-Fifth Anniversary of the United Nations, www.un.org/pga/74/wp-content/uploads/sites/99/2020/07/UN75-final-draft-declaration.pdf; UN Office of the Secretary-General’s Envoy on Technology, Global Digital Compact, www.un.org/techenvoy/global-digital-compact

[13]HLAB, A Breakthrough for People and Planet, HLAB Report, highleveladvisoryboard.org/; UN AI Advisory Body, Interim Report: Governing AI for Humanity, www.un.org/en/ai-advisory-body

[14]UN System Chief Executives Board for Coordination, UN System Wide Paper on AI Governance, unsceb.org/united-nations-system-white-paper-ai-governance

[15]UN Doc. A/RES/78/265 v. 21.3.2024; A/RES/78/311 v. 5.7.2024.

[16]UN Secretary-General, Secretary-General’s Remarks to the Security Council on Artificial Intelligence, 18.7.2023, www.un.org/sg/en/content/sg/speeches/2023-07-18/secretary-generals-remarks-the-security-council-artificial-intelligence

[17]Colum Lynch, Biden Administration Douses UN’s AI Governance Aspirations, Devex, 25.4.2024, www.devex.com/news/exclusive-biden-administration-douses-un-s-ai-governance-aspirations-107502

[18]Billy Perrigo, OpenAI Used Kenyan Workers on Less Than $2 Per Hour to Make ChatGPT Less Toxic, Time, 18.1.2023, time.com/6247678/openai-chatgpt-kenya-workers/

[19]Inter-Agency Standing Committee (IASC), The Inter-Agency Standing Committee, interagencystandingcommittee.org/the-inter-agency-standing-committee

[20]Australian Government, United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (UNOCHA), Australian Multilateral Assessment, März 2012,m www.dfat.gov.au/sites/default/files/unocha-assessment.pdf

[21]IASC, Reference Module for Cluster Coordination at Country Level, Juli 2015, sheltercluster.s3.eu-central-1.amazonaws.com/public/docs/cluster_coordination_reference_module_2015_final.pdf

[22]Australian Government, UNOCHA, a.a.O. (Anm. 20).

[23] Ebd.

[24] Ebd.

[25]Richard Ponzio/Nudhara Yusuf/Joris Larik, Global Governance Innovation Report 2024, Stimson Center, 17.6.2024, www.stimson.org/2024/global-governance-innovation-report-2024/; Cameron F. Kerry et al., Should the UN Govern Global AI?, Brookings, 26.2.2024, www.brookings.edu/articles/should-the-un-govern-global-ai/

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