Das Jahr 1974 könnte einmal in die Geschichte der Vereinten Nationen als das Jahr der großen Weltkonferenzen eingehen. Im April fand die Weltrohstoffkonferenz in New York statt, die Sondertagung der Generalversammlung für Rohstoffe und Entwicklung, von Juni bis August schloss sich die dritte Seerechtskonferenz in Caracas an, ebenfalls im August ging die Weltbevölkerungskonferenz in Bukarest über die Bühne, und im November wird die Welternährungskonferenz in Rom stattfinden. An allen diesen Konferenzen waren und sind die Staaten der ganzen Welt die eigentlichen Teilnehmer. Darüber hinaus jedoch nahmen zahlreiche internationale staatliche und nichtstaatliche Organisationen mit thematischer Bezogenheit teil. Das gilt auch für die jeweils am Thema interessierte Fachwelt. So ergab sich für jede der genannten Konferenzen eine Teilnehmerzahl zwischen dreitausend und fünftausend Personen. - Welcher dieser Konferenzen die größte Bedeutung zukommt, mag dahinstehen. Aber in allen Fällen handelt es sich um Tagungsthemen von wahrhaft weltumfassender Bedeutung. Das gilt auch dann, wenn diese Konferenzen keine Ergebnisse im Sinne von sofort zu realisierenden Methoden oder Anweisungen vorlegten. Die Rohstoffkonferenz in New York verabschiedete eine Deklaration über eine neue Weltwirtschaftsordnung und zugleich hierzu einen unter Vorbehalten angenommenen Aktionsplan, die Bevölkerungskonferenz von Bukarest einen Plan für die Probleme, die mit der Bevölkerungsexplosion zusammenhängen, die dritte Seerechtskonferenz von Caracas, die als eine der wichtigsten Konferenzen unserer Zeit angesehen wird, ist nicht nur ohne ein solches formales Ergebnis geblieben, sondern auch nicht abgeschlossen worden: sie wird im Frühjahr 1975 in Genf verkürzt fortgesetzt. - Welche Bedeutung im besonderen dieser Konferenz zukommt, um welche Probleme es sich handelt, wie, warum und wann die nationalen Interessen der Staaten der Erde aufeinanderstoßen, wie andererseits bei den Staaten die Einsicht, wenigstens im Prinzip, vorhanden ist, dass gemeinsame Lösungen angestrebt werden müssen, die jedoch nur durch starke Kompromisse Zustandekommen können, das suchen die nachfolgenden drei Beiträge darzustellen. Die Autoren sind auf der Seerechtskonferenz während der ganzen zehnwöchigen Dauer zugegen gewesen und als Verfasser von wissenschaftlichen Arbeiten über Seerechtsprobleme ausgewiesen. Die eigentliche Sacharbeit der Seerechtskonferenz ging in drei Hauptausschüssen mit jeweils verschiedener Thematik vor sich. Zu jedem der Ausschussarbeiten folgt nachstehend ein Artikel. Graf Vitzthum berichtet über die Meeresbodenfrage, dem Thema des Hauptausschusses I, Frau Dr. Platzöder über die Küstenzone und die Hohe See, dem Thema des Hauptausschusses II, und Max Ivers Kehden über Meeresverschmutzung, Meeresforschung und Technologietransfer, den Themen des Hauptausschusses III. Gewisse Wiederholungen und Überschneidungen ließen sich nicht vermeiden, weil die Ausschüsse sich nicht selten auch mit Themen der übrigen Ausschüsse befassen mussten, und eine innere Abstimmung der Beiträge untereinander wäre nicht erhebliche Verzögerung ihres Erscheinens möglich gewesen. Deshalb erscheint jeder Beitrag in der vollen Eigenverantwortung des jeweiligen Autors. Eine gewisse thematische Aufteilung der Konferenzthemen wurde von den Autoren jedoch bereits in Caracas abgesprochen. Für die gesamte Entwicklung des Meeresvölkerrechts sei noch auf den Beitrag ›Abschied von der Freiheit der Meere?‹ von Max Ivers Kehden, dem Autor unseres dritten Artikels, in VN 5/1971 S. 123 ff. verwiesen.