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Mit Recht zum Mars

Die menschlichen Aktivitäten im Weltraum haben im Laufe der Zeit zugenommen. Derzeit gibt es mehrere Projekte zur menschlichen Besiedlung von Mond und Mars. Sind die gegenwärtigen Rechtsinstrumente geeignet, um solche neuen Herausforderungen zu regeln? Welche Maßnahmen sind erforderlich und welche Rolle sollen die UN dabei spielen?

Mosaik aus Bildern des NASA-Rovers ›Perseverance‹ vom 4. August 2022. Es zeigt einen Felsvorsprung namens ›Wildcat Ridge‹ auf dem Mars. Der Rover hat zwei Gesteinskerne entnommen und eine kreisförmige etwa fünf Zentimeter große Fläche (rechts) abgeschliffen, um das Gestein auf mikrobielles Leben zu untersuchen. Die Stelle befindet sich in einem Delta, in dem vor Milliarden von Jahren ein Fluss in einen See im Jezero-Krater floss. Foto: NASA/JPL-Caltech/ASU/MSSS

Heute ist der Mars nicht mehr so unerreichbar, wie er es in der Vergangenheit war. Die Nutzung des Weltraums hat in den letzten Jahren aufgrund des technologischen Fortschritts zugenommen. Zudem verfügt der Weltraum über immense Ressourcen, die immer leichter zugänglich werden und die für die menschliche Forschung und Entwicklung von entscheidender Bedeutung sind. Die Weltraumressourcen sind für die verschiedensten Aktivitäten unerlässlich, angefangen von der Kommunikation bis hin zu Finanzgeschäften, von der Landwirtschaft bis hin zur Wettervorhersage, von der Umweltüberwachung bis hin zur Navigation.

Daneben kann der Weltraum auch als potenzielle Ressource für saubere Energie erachtet werden. So sind mehrere Staaten an der Rohstoffförderung auf dem Mond und auf Asteroiden interessiert.[1]  Dies wäre nicht nur für kommerzielle Zwecke, sondern vor allem auch für die Ansiedlung von Menschen im Weltraum ein entscheidendes Kriterium. Derzeit gibt es bereits zwei Raumstationen, die Internationale Raumstation (ISS) und die chinesische Tiangong-Raumstation, auf denen Astronauten für längere Zeit im Einsatz sind.

 

Der Mars gewinnt an Attraktivität

Ein weiteres Novum im Wettlauf um den Weltraum ist die wachsende Zahl der beteiligten Akteure. Der Raum in der Erdumlaufbahn stellt eine begrenzte Ressource dar, die von einer zunehmenden Zahl von Staaten sowie internationalen zwischenstaatlichen und nichtstaatlichen Organisationen (NGOs) genutzt wird. Mittlerweile wird der Weltraum insbesondere im Hinblick auf seine wirtschaftliche Nutzung sowohl von privaten Einrichtungen als auch von nationalen Raumfahrtbehörden erschlossen.

Einige Projekte konzentrieren sich auf den Mars, wobei kurzfristig die wissenschaftliche Forschung im Mittelpunkt steht, mittelfristig die erste bemannte Mission und langfristig eine mögliche dauerhafte menschliche Besiedlung des Mars geplant wird. Seit den 1960er Jahren erforscht die Wissenschaft diesen Planeten, sammelt und analysiert Daten. Mehrere Sonden wurden dazu entsandt. Neben denen, die von der Erdumlaufbahn Daten übermitteln, erkunden wiederum verschiedene Raumfahrzeuge die Marsoberfläche. Bisher konnten die Nationale Luft- und Raumfahrtbehörde der USA (NASA), die Russische Weltraumorganisation (ROSCOSMOS), die Europäische Weltraumorganisation (ESA), die Indische Weltraumforschungsorganisation (ISRO) und in jüngster Zeit auch China und die Vereinigten Arabischen Emirate erfolgreiche Landungen durchführen.[2]

Alle Nationen haben das Recht auf Zugang zum Weltraum, der ausschließlich für friedliche Zwecke zu nutzen ist.

Die erfolgreich durchgeführten Missionen lieferten der Wissenschaft Hinweise darüber, dass der Mars reich an den für das Leben notwendigen Elementen wie Wasser, organischem Kohlenstoff und eine Energiequelle ist. Untersucht wird gegenwärtig, ob der Mars jemals Leben beherbergt hat – die Hinweise verdichten sich[3] –, und ob Menschen dort überleben könnten. Insbesondere plant die NASA, bis zum Jahr 2030 eine bemannte Mission zum Mars zu schicken. Gleichzeitig entwickelt die NASA eine Raumkapsel namens Orion, die Menschen zum Mond und darüber hinaus befördern soll. Doch auch private Raumfahrtunternehmen wie SpaceX blicken mit Interesse auf den Mars.[4] Und kürzlich haben China und die Vereinigten Arabischen Emirate mit dem Start ihrer Missionen Tianwen-1[5] und Hope konkrete Schritte in Richtung dieses ehrgeizigen Zieles unternommen, in Zukunft temporäre oder dauerhafte menschliche Siedlungen auf dem Mars zu errichten.

 

Völkerrechtliche Regelungen zu Weltraumfragen

Mit Blick auf die zukünftige Erforschung und Besiedlung des Mars durch den Menschen muss der Rechtsrahmen eruiert werden, um etwaige rechtliche Lücken zu identifizieren und diese zu schließen. Sollten neue Bestimmungen erforderlich sein, könnten die UN bei der Weltraumverwaltung und der Rechtsetzung eine wichtige Rolle einnehmen.

Mindestens zwei verschiedene rechtliche Fragen müssen geklärt werden: Die erste betrifft die Rechtsordnung des Weltraums und insbesondere der Himmelskörper, wie beispielsweise der Planeten, zu denen auch der Mars gehört. Die andere bezieht sich auf das für menschliche Aktivitäten relevante Recht, das private Beziehungen und den Schutz der Rechte von Einzelpersonen im Weltraum reguliert. Wichtig ist es, zu klären, unter wessen Rechtsprechung Personen fallen, wenn sie sich im Weltraum und insbesondere auf dem Mars aufhalten.

 

Rechtliche Regelung von Himmelskörpern

Der Weltraum ist kein Niemandsland. Das Recht greift in gewissem, aber zunehmendem Maße auch in den Weltraum vor. Seitdem die Technologie die Möglichkeit bietet, den Weltraum zu erforschen, ist die Gesetzgebung für Weltraumaktivitäten eine Herausforderung.[6] Anfangs fand der Gesetzgebungsprozess vor allem im Rahmen der UN statt, die auch eine politische Funktion ausübten: Einige Spannungen zwischen den geopolitischen Hauptakteuren wurden damals durch solche Regeln entschärft. Ein Beispiel dafür sind die Bemühungen, das Wettrüsten im Weltraum zu verlangsamen.

Die Ressourcen des Mars könnten von jedem Staat oder jeder privaten Einrichtung im eigenen Interesse genutzt werden.

Die UN-Generalversammlung setzte im Jahr 1958, kurz nach dem Start des ersten von Menschen gefertigten Weltraumobjekts, einen Ad-hoc-Ausschuss für die friedliche Nutzung des Weltraums ein. Dieser Ausschuss bestand aus 18 Mitgliedern und hatte den Auftrag, die technischen, rechtlichen und sonstigen Aspekte vor dem Hintergrund der ersten Satelliten zu untersuchen. Es wurden zwei Unterausschüsse gebildet: ein wissenschaftlich-technischer und ein rechtlicher. Der Ad-hoc-Ausschuss wurde von der Generalversammlung im Jahr 1959 in ein ständiges Gremium umgewandelt.[7] Anfangs boykottierte die Sowjetunion den Ausschuss, weil sie ihn für nicht repräsentativ genug hielt, und forderte, dass die Entscheidungen im Konsens und nicht, wie vom Westen vorgeschlagen, durch Mehrheitsbeschluss getroffen werden sollten. Schließlich einigte man sich auf die Einsetzung eines Ausschusses mit 24 Mitgliedern, der als Nebenorgan der Generalversammlung eingerichtet wurde, wodurch sein politischer Charakter unterstrichen wurde.

Den Vorsitz des Ausschusses für die friedliche Nutzung des Weltraums (Committee on the Peaceful Uses of Outer Space – COPUOS; Weltraumausschuss) übernahm zunächst Österreich als neutrales Land. Die damalige Republik China weigerte sich zu Beginn, dem Ausschuss beizutreten. Sie war der Ansicht, der Ausschuss würde zu stark von den beiden Supermächten des Ost-West-Konflikts dominiert. Die Volksrepublik China, die die UN-Mitgliedschaft der Republik China im Jahr 1971 ›ersetzte‹, baute jedoch immer weiter ihr eigenes Raumfahrtprogramm aus, sodass sie im Jahr 1980 im Ausschuss aufgenommen wurde. Nach dem Ende des Ost-West-Konflikts wurde ein Rotationssystem für den Vorsitz eingeführt.

Dieses System war das Ergebnis multilateraler Verhandlungen zwischen den Raumfahrtnationen und den Staaten, die keine Raumfahrt betreiben. Was den institutionellen Rahmen betrifft, so muss auch das Büro der Vereinten Nationen für Weltraumfragen (Office for Outer Space Affairs – UNOOSA) erwähnt werden. Es stellt das Sekretariat des COPUOS und seines Wissenschaftlich-technischen Unterausschusses sowie seines Rechtsunterausschusses; es koordiniert die Zusammenarbeit der verschiedenen Organisationen innerhalb der UN bei der Nutzung der Weltraumtechnologie (UN Space) und pflegt die Zusammenarbeit mit Raumfahrtbehörden sowie entsprechenden zwischenstaatlichen Organisationen und NGOs. Alle weltraumrechtlichen Vereinbarungen wurden im Rahmen des Rechtsunterausschusses ausgearbeitet und im Konsens angenommen. Der wichtigste Rechtsrahmen für den Weltraum wird derzeit von fünf Gründungsverträgen gebildet.[8]

Darin festgelegt wurden die Grundlagen für die Nutzung des Weltraums. Demnach kann keine Nation territoriale Ansprüche auf den Weltraum und die Himmelskörper erheben. Der Zugang zum Weltraum steht allen offen. Darüber hinaus steht es allen Nationen frei, wissenschaftliche Untersuchungen im Weltraum durchzuführen. Auch die nationalen Rechte an den von ihnen gestarteten Weltraumobjekten werden gewahrt und die Nationen werden zusammenarbeiten, wenn Raumfahrzeuge und ihre Besatzung in Not geraten.[9]

Die wichtigste völkerrechtliche Vereinbarung des Weltraumrechts ist der Vertrag über die Grundsätze zur Regelung der Tätigkeiten von Staaten bei der Erforschung und Nutzung des Weltraums einschließlich des Mondes und anderer Himmelskörper (Principles Governing the Activities of States in the Exploration and Use of Outer Space, including the Moon and Other Celestial Bodies), besser bekannt als Weltraumvertrag aus dem Jahr 1967.[10] Seine Bestimmungen beruhen auf dem Grundsatz, dass alle Nationen das Recht auf Zugang zum Weltraum und den darin enthaltenen Ressourcen haben und dass der Weltraum ausschließlich für »friedliche Zwecke« zu nutzen ist.

 

Weitere Verträge wurden ausgehandelt

Das Übereinkommen über die Rettung und Rückführung von Raumfahrern sowie die Rückgabe von in den Weltraum gestarteten Gegenständen (Agreement on the Rescue of Astronauts, the Return of Astronauts and the Return of Objects Launched into Outer Space; Weltraumrettungsübereinkommen) ergänzt die mit dem Weltraumvertrag eingeführten Pflichten zur Hilfeleistung für Raumfahrer in Not.[11] Das Übereinkommen über die völkerrechtliche Haftung für Schäden durch Weltraumgegenstände (Convention on International Liability for Damage Caused by Space Objects; Weltraumhaftungsübereinkommen) aus dem Jahr 1972[12] erweitert die mit dem Weltraumvertrag eingeführten Grundsätze der Haftung für durch Weltraumobjekte verursachte Schäden. Das Übereinkommen schreibt eine uneingeschränkte Haftung für den Staat vor, der den Start vornimmt.[13] Ein weiterer wichtiger Vertrag ist das Übereinkommen über die Registrierung von in den Weltraum gestarteten Gegenständen (Convention on Registration of Objects Launched into Outer Space; Weltraumregistrierungsübereinkommen), aus dem Jahr 1976.[14] Die Registrierung ist eine Maßnahme, um festzustellen, welcher Staat die internationale Verantwortung und Haftung für Weltraumobjekte trägt.

Verhandlungen sind erforderlich, um völkerrechtliche Normen auszuhandeln, die den immer stärker frequentierten Weltraum regeln.

Das Übereinkommen zur Regelung der Tätigkeiten von Staaten auf dem Mond und anderen Himmelskörpern (Agreement Governing the Activities of States on the Moon and Other Celestial Bodies; Mondvertrag) aus dem Jahr 1979[15] ist das innovativste und zugleich umstrittenste Übereinkommen. Darin wird das Konzept des gemeinsamen Erbes der gesamten Menschheit verankert. Es definiert den Mond und andere Himmelskörper sowie deren natürliche Ressourcen als »gemeinsames Erbe der Menschheit«. Artikel 11 sieht vor, dass ein internationales System zur Nutzungsregelung dieser Ressourcen geschaffen werden soll, sobald der Abbau dieser Ressourcen möglich wird. Der Mondvertrag beinhaltet das Konzept der Nichtaneignung durch Staaten und hindert private Einrichtungen daran, Ansprüche auf den Mond oder andere Himmelskörper zu erheben, bei gleichzeitiger Ausweitung dieses Verbots auf Ressourcen. Er verbietet jedoch nicht die Gewinnung von Rohstoffen aus dem Weltall. Vielmehr werden der Abbau und die Verteilung dieser Ressourcen im Rahmen des Rechts des gemeinsamen Erbes der Menschheit überwacht, was darauf hindeutet, dass diese Ressourcen der gesamten Menschheit gehören.

Die Verabschiedung eines solchen Rechtssystems beruht auf der Notwendigkeit, ein Gleichgewicht zwischen Raumfahrtnationen und Nichtraumfahrtnationen herzustellen. Einige Staaten haben diese rechtlichen Normen zum gemeinsamen Erbe der Menschheit nicht ohne Weiteres akzeptiert. Hintergrund sind die enormen wirtschaftlichen Auswirkungen, die sich daraus zukünftig ergeben könnten, wenn neue Technologien die Gewinnung natürlicher Ressourcen von Himmelskörpern leicht ermöglichen. Der Mondvertrag ist der Vertrag mit der geringsten Akzeptanz und nur wenige Ratifizierungen sind erfolgt.[16] Aus diesem Grund ist es fraglich, ob Rohstoffförderung, die Ausbeutung von Ressourcen und andere kommerzielle Aktivitäten, die auf Himmelskörpern ausgeübt werden, unter das rechtliche Regime des gemeinsamen Erbes der Menschheit fallen können. Dies hat relevante Auswirkungen auf zukünftige Marsmissionen, da in diesem Fall die Ressourcen des Roten Planeten von jedem Staat oder jeder privaten Einrichtung im eigenen Interesse und ohne Vorteilsausgleich genutzt werden könnten.

 

Rechtliche Regelungen für die im Weltraum agierenden Subjekte

Der zweite rechtliche Problembereich, der zu lösen ist, betrifft die Rechtslage der Menschen. Es muss untersucht werden, welche Normen geeignet sind, die Rechte des Einzelnen zu wahren sowie private Aktivitäten, zwischenmenschliche Beziehungen und Fragen der Strafgerichtsbarkeit zu regeln.

In den vergangenen zwei Jahrzehnten haben private Akteure, wie etwa Newspace oder SpaceX, in die Raumfahrt investiert. Es scheint, als würde sich das bisher von staatlichen Stellen dominierte Unternehmensmodell in diesem Sektor verändern. Diese zunehmende Kommerzialisierung von Weltraumaktivitäten hat Auswirkungen auf das Völkerrecht im Weltraum. Fragestellungen im Zusammenhang mit privaten Raumfahrtaktivitäten wie etwa Eigentumsrechte, Rechte an geistigem Eigentum, Haftung nichtstaatlicher Einrichtungen, Versicherungsansprüche, Rechtsstatus von Weltraumtouristen und andere erfordern eine angemessene Rechtsprechung, insbesondere im Hinblick auf neue Entwicklungen in der Raumfahrttechnologie.

Seit den 1990er Jahren wurden mit einer Vielzahl bilateraler Verträge zur Regelung der weltraumbezogenen Zusammenarbeit zwischen Staaten und staatlichen Raumfahrtbehörden neue Normen für dieses Ziel eingeführt. In den vergangenen drei Jahrzehnten wurden mehrere technische und wissenschaftliche Abkommen ausgehandelt, an denen etwa 100 Staaten und internationale Organisationen beteiligt waren. Zudem lenkt die verstärkte menschliche Präsenz im Weltraum die Aufmerksamkeit auch auf kriminelle Aktivitäten. So wurde im August 2019 etwa berichtet, dass die NASA eine Anschuldigung im Zusammenhang mit einer Straftat untersucht, die eine Astronautin an Bord der ISS begangen hat.[17] Erstmals musste also geklärt werden, welches Strafrecht im Weltraum gilt.[18]

Handlungen, die außerhalb einer Raumstation an verschiedenen Orten stattfinden, können in die Zuständigkeit verschiedener Staaten fallen oder außerhalb der Zuständigkeit eines Staates liegen. In diesem Fall gibt es noch keine spezifischen Bestimmungen, die die Ausübung der Strafgerichtsbarkeit regeln. Im Falle einer Besiedlung des Mars müsste geklärt werden, auf welche spezifische staatliche Gerichtsbarkeit zurückgegriffen werden kann – etwa auf den Staat, dessen Staatsangehörigkeit die Astronautin oder der Astronaut besitzt, dessen Staatsangehörigkeit das Opfer besitzt, unter dessen Gerichtsbarkeit die Mission durchgeführt wird oder auf den Startstaat.

Die gleichen Bedenken ergeben sich aus den aktuellen bilateralen oder multilateralen Abkommen, die zur Regelung bestimmter Raumfahrtaktivitäten ausgehandelt wurden. Einige der jüngsten Initiativen beruhen auf einer rein zwischenstaatlichen Zusammenarbeit außerhalb des institutionellen Rahmens einer internationalen Organisation. Die aktuellen Grundsätze für die Zusammenarbeit bei der zivilen Erforschung und Nutzung von Mond, Mars, Kometen und Asteroiden zu friedlichen Zwecken (Artemis-Abkommen), die am 13. Oktober 2020 unterzeichnet wurden, sind hierfür ein Beispiel.

Die acht Gründungsmitglieder waren Australien, Italien, Japan, Kanada, Luxemburg, die USA, die Vereinigten Arabischen Emirate und das Vereinigte Königreich; die Ukraine trat als neuntes Mitglied am 13. November 2020 bei.[19] Das Artemis-Abkommen enthält zehn unverbindliche Grundsätze, die das Verhalten der an der Erforschung des Weltraums, insbesondere des Mondes und anderer Himmelskörper, beteiligten Staaten regeln sollen. Die Beschlüsse verkörpern ein politisches Bekenntnis zu diesen Grundsätzen, die vor allem die operative Umsetzung der Verpflichtungen aus dem Weltraumvertrag und anderen rechtsverbindlichen Instrumenten vorsehen. Sie stehen im Zusammenhang mit dem Artemis-Programm der NASA, das darauf abzielt, bis zum Jahr 2025 wieder Menschen auf den Mond zu entsenden, wobei die durch die Artemis-Missionen gewonnenen Erkenntnisse genutzt werden sollen, um in Zukunft Menschen auf den Mars zu schicken. Ziel dieses Abkommens ist es, ein einheitliches Konzept für eine verbesserte Regelung der zivilen Erforschung und Nutzung des Weltraums zu schaffen.

Russland und China sind keine Vertragsparteien und lehnen das Vorhaben der USA ab, die das Recht auf Ausbeutung der Ressourcen von Himmelskörpern damit bekräftigen.[20] Dennoch unterzeichneten die Na­tionale Raumfahrtbehörde Chinas (CNSA) und ROSCOSMOS am 9. März 2021 eine Vereinbarung über den gemeinsamen Bau einer autonomen permanenten Mondforschungsstation namens International Lunar Research Station (ILRS). Darin werden wissenschaftliche Forschungsarbeiten sowie die Nutzung des Mondgeländes festgelegt.[21]

Das Engagement privater Akteure lenkte den Gesetzgebungsprozess vom institutionellen Rahmen der Vereinten Nationen, in dem die fünf großen Weltraumverträge diskutiert und verabschiedet wurden, zu zwischenstaatlichen Verhandlungen. Das Ergebnis ist ein Rechtsrahmen, der uneinheitlich ist und unterschiedliche, auf die einzelnen Akteure zugeschnittene Regeln vorsieht. Es wäre wichtig, bestimmte Regeln auf zentraler Ebene zu klären und die UN könnten das bevorzugte Forum für diese Debatte sein. Eine Wiederaufnahme der Verhandlungen in diesem Zusammenhang ist dringend erforderlich, um neue völkerrechtliche Normen auszuhandeln, die den veränderten und immer stärker frequentierten Weltraum regeln können.

 

Neubelebung der UN-Rolle

Mit Blick auf die Zukunft ist es notwendig, einen geeigneten völkerrechtlichen Rahmen für die Ansiedlung von Menschen, beispielsweise in Kolonien auf dem Mars oder anderen Himmelskörpern, zu finden oder zu schaffen. Zusätzlich zu den Gründungsverträgen konzentrieren sich die Diskussionen im Bereich der Weltraumpolitik derzeit auf die Festlegung neuer Verhaltensnormen und nicht auf neue völkerrechtlich verbindliche Abkommen. Angesichts des Widerstands mehrerer großer Weltraummächte gegen jede Diskussion über verbindliche Abkommen wird es immer schwieriger, einen globalen Konsens über neue Verträge zu erzielen.

Im Jahr 2013 verabschiedete die Generalversammlung im Konsensverfahren eine von einer Gruppe Sachverständiger vorgestellten Studie zur Transparenz im Weltraum und zu vertrauensbildenden Maßnahmen.[22] Danach erfordert die weltweit wachsende Nachfrage nach weltraumgestützten Systemen und Technologien und den von ihnen bereitgestellten Informationen gemeinsame Anstrengungen, um die Gefahren für die Nachhaltigkeit und Sicherheit von Weltraumaktivitäten zu bekämpfen. Der Verweis auf diese Kooperationsmaßnahmen unterstreicht die Notwendigkeit, einen gemeinsamen Rahmen zu schaffen und möglichst viele Akteure auch in den Rechtsetzungsprozess einzubeziehen. Ein weiteres wichtiges unverbindliches Instrument, der Entwurf eines Internationalen Verhaltenskodex für Weltraumaktivitäten, muss ebenfalls erwähnt werden.[23] Die UN haben sich lange Zeit auf die Rolle beschränkt, bestimmte Formen der unabhängigen Zusammenarbeit zwischen den Staaten zu fördern und diese anzuregen, ohne direkt in die Problemlösung einzugreifen.

 

Trendwende

Die UN-Generalversammlung hat einige Resolutionen zum Thema Waffen im Weltraum verabschiedet: Die erste war eine Resolution im Jahr 2014[24], gefolgt von einer Resolution im Jahr 2020 über die Eindämmung von Bedrohungen aus dem Weltraum durch Normen, Regeln und Grundsätze für verantwortungsbewusstes Verhalten sowie einer Resolution im Jahr 2021[25] über die Einsetzung einer Offenen Arbeitsgruppe, die in den Jahren 2022 und 2023 viermal zusammentreten soll, um Empfehlungen zu möglichen Normen, Regeln und Grundsätzen für verantwortungsbewusstes Verhalten in Bezug auf Bedrohungen von Weltraumsystemen durch Staaten zu erarbeiten. Nun scheinen die Vereinten Nationen wieder entschlossen zu sein, sich dieses Themas anzunehmen – nicht zuletzt aufgrund ihres Ziels, den internationalen Frieden und die Sicherheit zu wahren. Einige dieser Aktivitäten können grundlegende Interessen der internationalen Gemeinschaft oder einige Prioritäten der Vereinten Nationen beeinträchtigen, da Weltraum­aktivitäten auch für die Verwirklichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals – SDGs) von wesentlicher Bedeutung sind.[26]

Die UN sind also auch im Hinblick auf Marsmissionen von Bedeutung, beispielsweise in den Bereichen Energie, Innovation und vor allem bei der Verringerung von Ungleichheiten, etwa indem sie allen Ländern das Recht auf Zugang zu ihren Ressourcen gewähren. Aus diesem Grund sollten die UN eine führende Rolle bei der Förderung neuer Regeln spielen, um die derzeitige Fragmentierung zu überwinden und den Staaten die Möglichkeit zu geben, in einem multilateralen Forum einen gemeinsamen Konsens zu finden. Die aktuellen Entwicklungen erfordern ein stärkeres rechtliches und politisches UN-Engagement in Bezug auf die neuen konkurrierenden Interessen im Weltraumbereich.

Aus dem Englischen von Monique Lehmann.

 

 

[1] Siehe auch Stephan Hobe, Zur Zukunft des Weltraumbergbaus, VEREINTE NATIONEN (VN), 67. Jg., 4/2019, S. 160–163.

[2] Nadia Drake, Why We Explore Mars – And What Decades of Missions Have Revealed, National Geographic, www.nationalgeographic.com/science/article/mars-exploration-article

[3] NASA Science Mars Exploration Program, Sample Collection and Rock Analysis at ›Wildcat Ridge‹, 15.9.2022, mars.nasa.gov/resources/26988/sample-collection-and-rock-analysis-at-wildcat-ridge/

[4] Nadia Drake/Elon Musk: A Million Humans Could Live on Mars By the 2060s, National Geographic, 28.9.2016, www.nationalgeographic.com/science/article/elon-musk-spacex-exploring-mars-planets-space-science

[5] Michael Roston/Steven Lee Myers, China’s Mars Mission, Tianwen-1, Begins Its Monthslong Journey, The New York Times, 22.7.2020, www.nytimes.com/2020/07/22/science/mars-china-launch.html

[6] Bin Cheng, The Legal Status of Outer Space and Relevant Issues: Delimitation of Outer Space and Definition of Peaceful use, Journal of Space Law, 11. Jg., 1 & 2/1983, S. 89–106.

[7] UN Doc. A/RES/1472(XIV) A and B v. 12.12.1959.

[8] Siehe dazu auch Kai-Uwe Schrogl, 60 Jahre Weltraumrecht, VN, 67. Jg., 4/2019, S. 147–153.

[9] Necia Apfel, Space Law, New York 1988.

[10] UNOOSA, Outer Space Treaty, www.unoosa.org/oosa/en/ourwork/spacelaw/treaties/outerspacetreaty.html

[11] UNOOSA, Rescue Agreement, www.unoosa.org/oosa/en/ourwork/spacelaw/treaties/introrescueagreement.html

[12] UNOOSA, Introliability Convention, www.unoosa.org/oosa/en/ourwork/spacelaw/treaties/introliability-convention.html

[13] Vladimir Kopal, Origins of Space Law and the Role of the United Nations, in: Christian Brünner/Alexander Soucek (Eds.), Outer Space in Society, Politics and Law, Wien 2011.

[14] UNOOSA, Registration Convention, www.unoosa.org/oosa/en/ourwork/spacelaw/treaties/introregistration-convention.html

[15] UNOOSA, Moon Agreement, www.unoosa.org/oosa/en/ourwork/spacelaw/treaties/moon-agreement.html

[16] UNOOSA, Status of International Agreements relating to Activities in Outer Space, www.unoosa.org/oosa/en/ourwork/spacelaw/treaties/status/index.html

[17] Mike Baker, NASA Astronaut Anne McClain Acussed by Spouse of Crime in Space, The New York Times, 23.8.2019, www.nytimes.com/2019/08/23/us/astronaut-space-investigation.html

[18] Siehe Danielle Ireland-Piper/Steven Freeland, Star Laws: Criminal Jurisdiction in Outer Space, Journal of Space Law, 44. Jg., 1/2020, S. 44–75.

[19] Almudena Azcárate Ortega, Artemis Accords: A Step Toward International Cooperation or Further Competition?, Lawfare, 15.12.2020, www.lawfareblog.com/artemis-accords-step-toward-international-cooperation-or-further-competition

[20] Namrata Goswami, The Strategic Implications of the China-Russia Lunar Base Cooperation Agreement, The Diplomat, 19.3.2021, thediplomat.com/2021/03/the-strategic-implications-of-the-china-russia-lunar-base-cooperation-agreement/

[21] Tanmay Kadam, Lunar Research Station: Russia, China Almost Ready To Ink Pact On ›Moon Base‹ That Will Rival Artemis Accords – Rogozin, The Eurasian Times, 1.6.2022, eurasiantimes.com/russia-china-almost-ready-to-ink-pact-on-moon-base/

[22] UN Doc. A/Res 65/68 v. 11.1.2011.

[23] Michael J. Listner, The International Code of Conduct: Comments on Changes in the Latest Draft and Post-Mortem Thoughts, The Space Review, 26.10.2015, www.thespacereview.com/article/2851/1

[24] UN Doc. A/RES/69/32 v. 11.12.2014.

[25] UN Doc. A/RES/75/36 v. 16.12.2020; A/RES/76/231 v. 30.12.2021.

[26] UN Doc. A/RES/70/1 v. 21.10.2005; siehe auch Franziska Knur/Markus Woltran, Raumfahrt für nachhaltige Entwicklung, VN, 67. Jg., 4/2019, S. 154–159.

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