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Verändern sich die UN in Vielfalt und Belegschaft?

Damit die Vereinten Nationen ihre Aufgaben in einem sich rasch entwickelnden operativen Umfeld effizient wahrnehmen können, sind neue Perspektiven für eine diversifiziertere Führung und eine integrative Personalstruktur erforderlich. Ein genauer Blick auf die Personaldaten bietet interessante Erkenntnisse über die UN-Führungskräfte und -Beschäftigten.

UN-Bedienstete begehen den Tag des UN-Personals. UN Photo/Kim Haughton

Veränderungen sind für das Personal der Vereinten Nationen nicht neu. Globale normative Rahmenwerke wie die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung (Agenda 2030)[1] und ihre Vorläufer haben in der Vergangenheit die allgemeine Ausrichtung des UN-Personalmanagements und seiner Bediensteten beeinflusst. Wichtige Strate­gien wie die systemweite Strategie für Geschlechterparität (2017),[2] Jugend (2018)[3] und Inklusion von Menschen mit Behinderungen (2019)[4] enthalten Ziele sowohl für die programmatische Arbeit der UN als auch für Vielfalt und Inklusion in den Reihen der UN-Beschäftigten selbst. Mit dem ›Quintett des Wandels‹, einem Element der ›Gemeinsamen Agenda‹ (›Our Common Agenda‹),[5] wollen sich die Vereinten Nationen zu einer flexibleren, vielfältigeren, reaktionsfähigeren und effizienteren ›UN 2.0‹ entwickeln. Was können in diesem Zusammenhang Personaldaten über die Vielfalt der UN-Führungskräfte heute und die Fähigkeit der UN, sich neu zu erfinden, aussagen?

 

UN-systemweite Personaldaten

Personaldaten sind zu einem wirkungsvollen Instrument geworden, um die Herausforderungen der institutionellen Führung zu verstehen und Führungsentscheidungen zu treffen. Dank des Koordinierungsrats der Leiterinnen und Leiter der Organisationen des Systems der Vereinten Nationen (Chief Executives Board – CEB) und des Personal-Netzwerks der UN hat sich die Datenlage im Laufe der Zeit immer weiter verbessert. Dies liegt vor allem an den jährlichen CEB-Personalstatistiken, die nun fast alle UN-Einrichtungen[6] berücksichtigen, sowie an den seit dem Jahr 2015 automatisierten Datenvalidierungen und vermehrten Datenvisualisierungen.[7] Bessere Daten ermöglichen auch eine differenziertere und tiefgreifendere Analyse, etwa in Bezug auf Mobilität, Kündigungen und Vielfalt.

Seit dem Jahr 2020[8] liegt unser Forschungsschwerpunkt auf UN-Führungskräften und Personaldaten, wobei drei Datenkategorien untersucht werden: Geschlechterparität, Alter und Mobilität – allesamt von zentraler Bedeutung für das aktuelle Personalmanagement der UN und dessen Reform.[9] In der von der Dag-Hammarskjöld-Stiftung veröffentlichten statistischen Studie zu den UN-Führungskräften (im Folgenden ›die Studie‹)[10] haben wir eine gemischte Bilanz gezogen: Die Vereinten Nationen machen Fortschritte auf dem Weg zur Geschlechterparität, werden jedoch nicht jünger und schaffen es nicht, für eine generationsübergreifende Personalstruktur zu sorgen. Insbesondere im UN-Sekretariat gibt es kaum Personalwechsel – geografisch, organisationsübergreifend und horizontal –, wodurch die Gefahr besteht, dass junge Talente sich nicht weiterentwickeln und am unteren Ende der Karriereleiter stagnieren.

Durch einige spürbare politische Veränderungen in den letzten zwölf Monaten wurde versucht, diese Missstände zu beheben. Nach sechs Jahren erfolgloser Anläufe einigte sich der Fünfte Ausschuss der Generalversammlung für Verwaltungs- und Haushaltsfragen auf eine Resolution zum Personalmanagement des UN-Sekretariats, die im April 2023 formell angenommen wurde.[11] Eine neue Mobilitätsstrategie für das UN-Sekretariat[12] wurde ebenfalls verabschiedet. Außerdem änderte die Internationale Kommission für den öffentlichen Dienst (International Civil Service Commission – ICSC) im Jahr 2022 die Regelungen zur Elternzeit für das gesamte UN-System – unter anderem, indem werdenden Müttern zehn weitere Wochen Urlaub zugestanden werden – und brachte die UN damit auf internationales Niveau.[13] Diese neuen Strategien werden sich bis zu einem gewissen Grad auf die künftigen Personaldaten auswirken.

 

Das UN-Personal

Abbildung 1 gibt einen Überblick über die Zusammensetzung des UN-Personals im Jahr 2022, wobei der größte und wachsende Anteil der mehr als 200 000 Beschäftigten auf nicht fest angestellte Beschäftigte, Fremdpersonal, (Beraterinnen und Berater, Inhaber von Dienstleistungsverträgen, Freiwillige und Praktikantinnen und Praktikanten) entfällt. Dies ist keine Überraschung, denn das Fremdpersonal stellt eine wichtige Personalkategorie dar, die den Vereinten Nationen begehrte Fachkenntnisse und Qualifikationen bietet. Darüber hinaus werden die Fixkosten gesenkt, die Rekrutierung wird erleichtert und die Flexibilität des Personals wird in einem weitgehend nicht kernfinanzierten Umfeld erhöht. Gegenwärtig sind mehr als 50 Prozent des Personals in UN-Einrichtungen, die sich auf Entwicklung und/oder humanitäre Hilfe konzentrieren, Fremdpersonal.

Die nachstehende Datenanalyse konzentriert sich auf UN-Bedienstete mit Verträgen von mehr als einem Jahr, das heißt auf etwa 54 Prozent aller UN-Beschäftigten und etwa 20 Prozent der internationalen Fachkräfte, die ›Ps und Ds‹. Dies hat einen praktischen Grund: Für die beiden anderen großen Segmente des Personals, nämlich die 39 Prozent aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die als Fremdpersonal bezeichnet werden, und die sieben Prozent mit Verträgen von weniger als einem Jahr sind detaillierte Informationen nicht ohne Weiteres verfügbar. Ein weiteres Problem: Diese Studie bezieht sich zwar auf Daten für das gesamte UN-System, doch es ist wichtig zu bedenken, dass sich dahinter erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen UN-Einrichtungen verbergen. Etwa 1,5 Prozent des gesamten UN-Personals und 3,5 Prozent der internationalen Fachkräfte sind deutsche Staatsangehörige.

 

Wo sind die jungen Fachkräfte?

Der öffentliche Dienst der UN wird zunehmend älter. Das macht es schwieriger, mit der Jugend der Welt in Kontakt zu treten, beispielsweise mit den unter 25-Jährigen, die in Afrika etwa 60 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Wie gut sind dann junge Talente im UN-Personal aufgestellt, um die Entscheidungen und Maßnahmen der Organisa­tion im Einklang mit der Jugendstrategie von innen heraus zu gestalten? Nach den neuesten verfügbaren Daten haben sich diese Aussichten seit dem Jahr 2020 verschlechtert.

Tabelle 1 zeigt, dass im Jahr 2022 fast 74 Prozent des UN-Personals 40 Jahre oder älter und 26 Prozent unter 40 Jahre alt waren. Jünger als 30 Jahre waren nur 2,5 Prozent. Im Vergleich zum Jahr 2016 sind die Altersgruppen über 50 Jahre die einzigen Altersgruppen, deren Anteil am gesamten UN-Personal zugenommen hat, während der Anteil aller jüngeren Altersgruppen zurückging.

Im Vergleich zu den Daten für das Jahr 2020 gab es 2022 einen erheblichen Anstieg der P2-Stellen um insgesamt 851. Mehr als zwei Drittel des Anstiegs bei den Einstiegspositionen entfielen auf das UN-Sekretariat, das Hohe Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen (United Nations High Commissioner for Refugees – UNHCR) und die Internationale Organisation für Migration (International Organisation for Migration – IOM). Dies ist zweifellos eine positive Veränderung, doch scheint es keinen direkten Zusammenhang zwischen dem Anstieg der P2-Einstiegspositionen und dem Anstieg des Anteils junger Menschen (unter 35 Jahren) am Gesamtpersonal zu geben. Das deutet darauf hin, dass die institutionelle Verjüngung lediglich ein Wunschdenken bleibt. Gerade einmal etwas mehr als ein Drittel (37 Prozent) dieser zusätzlichen P2-Stellen waren mit jüngeren Beschäftigten besetzt. Darüber hinaus blieb der Anteil der unter 35-Jährigen am Gesamtpersonal unverändert bei 11,4 Prozent, ein Prozent weniger als im Jahr 2018, in dem die Jugendstrategie eingeführt wurde. Bei den Fachkräften sank der Anteil der unter 35-Jährigen im gleichen Zeitraum ebenfalls um ein Prozent (von 9,9 Prozent im Jahr 2018 auf 8,9 Prozent im Jahr 2022). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es zwar mehr P2-Positionen gibt, diese aber nicht unbedingt von jungen Fachkräften besetzt werden.

Abbildung 2 gibt einen Gesamtüberblick über das wachsende Missverhältnis zwischen dem UN-Personal und der Weltbevölkerung im erwerbsfähigen Alter. Im Jahr 2022 waren 58 Prozent der Weltbevölkerung im erwerbsfähigen Alter unter 40 Jahre alt, aber nur 26 Prozent des UN-Personals. Vor allem in den letzten Jahren hat es bei den Vereinten Nationen zu wenig Nachwuchskräfte gegeben, um eine Altersverteilung zu erreichen, die die Welt besser widerspiegelt. Während in den Jahren 1991 und 2016 jeweils etwas mehr als 25 Prozent des Fachpersonals unter 40 Jahre alt waren, sank diese Zahl im Jahr 2022 auf unter 22 Prozent.

Ein Beispiel aus dem UN-Sekretariat:[14] Das Durchschnittsalter der Bediensteten im UN-Sekretariat stieg weiter an und lag im Jahr 2021 bei 47 Jahren (46,8 Jahre im Jahr 2020), also etwa fünf Jahre über dem Wert von 42,3 Jahren im Jahr 2010. Dazu trug bei, dass der Anteil der unter 25-Jährigen und der 25- bis 29-Jährigen weiter zurückging und nur noch 1,7 Prozent des Personals im Sekretariat im Jahr 2021 ausmachte (im Vergleich zu 7,9 Prozent im Jahr 2010). Bei den 30- bis 34-Jährigen sah es nicht viel besser aus: Ihr Anteil lag im Jahr 2021 bei 6,9 Prozent, gegenüber 7,3 Prozent im Vorjahr und mehr als doppelt so viel, nämlich 16,1 Prozent, im Jahr 2010.

Außerdem scheiden junge Menschen überproportional häufig aus dem UN-Sekretariat aus.[15] Im Jahr 2021 war die Kündigungsrate der P2 höher als ihr Anteil im UN-Sekretariat. Fast die Hälfte (47 Prozent) dieser Kündigungen entfiel auf Nachwuchskräfte (Junior Professional Officers – JPOs) und elf Prozent auf das Programm für Berufseinsteiger (Young Professional Programme – YPP). Mit anderen Worten: Die wenigen jungen Leute, die im UN-Sekretariat arbeiten, sind nicht gewillt, dort zu bleiben.

Die Ursachen hierfür sind komplex. Die Einstellung auf der Einstiegsebene im UN-Sekretariat wird durch viele Faktoren erschwert, unter anderem durch das reguläre Haushaltsverfahren, das nur wenig Spielraum für eine Erhöhung der Zahl der Stellen auf P1/P2-Ebene bietet. Hinzu kommt der Einstellungs- und Ausgabenstopp[16] aufgrund der verspäteten Zahlung der festgesetzten Beiträge der Mitgliedstaaten. Eine weitere Ursache ist die Praxis, Bewerberinnen und Bewerber mit mehr Jahren Berufserfahrung im Einstellungsverfahren zu bevorzugen,[17] selbst wenn sie mehr als das für eine bestimmte offene Stelle erforderliche Minimum an Erfahrung mitbringen. Darüber hinaus wird in junge Nachwuchskräfte in erster Linie in der Einstellungsphase investiert und nicht in die langfristige Mitarbeiterbindung. Die Karriereentwicklung im UN-Sekretariat verläuft langsam, sodass viele junge Fachkräfte bezweifeln, dass sie bei den Vereinten Nationen gut aufgehoben sind. Nach dem UN-Laufbahnsystem (UN Career Framework)[18] erfolgt der Aufstieg in eine andere Besoldungsgruppe alle zehn Jahre, das heißt, wer auf der Ebene P2 einsteigt, wird möglicherweise erst mit Mitte 40 in die Ebene P3 aufsteigen. Außerdem werden so weiterhin P2-Stellen für künftige Fachkräfte blockiert.

Damit die UN für die besten und klügsten Köpfe einer Generation attraktiv bleibt, bedarf es eines Mentalitätswandels von der bloßen Rekrutierung hin zur Schaffung eines Umfelds, in dem sich junge Talente entfalten, ihren Beitrag leisten und ihre Zukunft mitgestalten können. Die Organisation muss bereit sein, eine Entwicklung anzunehmen, die mit der externen Umgebung Schritt hält. Das bedeutet auch, dass fundierte Schulungs- und Führungsprogramme entwickelt werden müssen, mit einem eindeutigen, konkreten Fokus auf Vielfalt, Gleichberechtigung und Integration. Es bedeutet zudem, dass sich die Denkweise und die Arbeitspraktiken ändern müssen. Der Dienstgrad darf nicht immer ausschlaggebend dafür sein, ob jemand das Wort ergreifen darf, und die älteren Führungskräfte sollten junge Beschäftigte stärker fördern.

 

Geschlechterparität

In der Studie wurde auf die stetigen, wenn auch langsamen Fortschritte hingewiesen, die das UN-System bei der Verwirklichung der Geschlechterparität im Einklang mit der Vision und Strategie des Generalsekretärs aus dem Jahr 2017 gemacht hat. Seit ihrer Veröffentlichung hat es weitere kleine Fortschritte gegeben. Wie Tabelle 2 zeigt, folgen die Fortschritte bei den P5- bis D2-Positionen weiterhin einem langfristigen Trend, der im Durchschnitt etwa einen zusätzlichen Prozentpunkt pro Jahr ausmacht. Bei diesem Tempo könnten die Vereinten Nationen bis zum Jahr 2030 die Geschlechterparität auf den Führungsebenen erreichen.

Abgesehen von den Ursprungsdaten wurden in der Studie jedoch auch einige Fragen aufgeworfen, die unter Umständen beunruhigend sind. Insbesondere wurde die Frage gestellt, ob die Gleichstellung auch in Bezug auf die ›Macht‹ erreicht wurde, indem die Verfügungsgewalt über Budgets und Führungspositionen an Orten mit politischer Sichtbarkeit als Indikator herangezogen wurde. Es zeigte sich, dass der Zugang zu einflussreichen und prestigeträchtigen Positionen sehr unterschiedlich ist. Abbildung 3 (S. 206) zeigt, dass der Anteil der männlichen Besetzung von D1/D2/UG-Posten – also leitende Entscheidungspositionen – in den am stärksten von Krisen betroffenen Ländern unverhältnismäßig hoch ist. Dabei handelt es sich zufällig um die 18 Länder, in denen die UN 45 Prozent ihrer Gesamtressourcen ausgaben und auf die sich die internationale Gemeinschaft am stärksten fokussiert. Selbst die Zusammensetzung des CEB, des höchsten Koordinierungsforums des UN-Systems, bestätigt das gleiche Muster der Geschlech­terungleichheit auf höchster Ebene: Im Juli 2023 waren von den 29 Mitgliedern, die an der Spitze von UN-Organisationen standen, nur elf Frauen.

Wenn wir uns also einig sind, dass nicht alle Positionen mit gleichem Rang das gleiche Gewicht haben, müssen die Vereinten Nationen ihr lobenswertes Ziel der Geschlechtergleichheit genauer unter die Lupe nehmen und sich fragen, ob sich hinter dem paritätischen Ansatz strukturelle Ungleichheiten verbergen. Eine genauere und umfassendere Analyse würde zweifellos schwierige Fragen aufwerfen. Dies ist jedoch unvermeidlich, wenn die UN in einer Welt, in der es bei der Stärkung der Rolle der Frau und der Gleichstellung der Geschlechter fast überall Rückschritte zu geben scheint, mit gutem Beispiel vorangehen wollen.[19]

Wir schlagen mindestens drei Ansätze für die weitere Diskussion vor. Der erste bezieht sich auf die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie. Die oben vorgestellten Zahlen deuten nicht darauf hin, dass sich Richtung und Tempo der Bemühungen der UN um die Gleichstellung der Geschlechter wesentlich geändert haben. Es wäre jedoch wichtig zu untersuchen, ob die neuen Arbeitsregelungen Auswirkungen auf die Chancengleichheit bei der Besetzung der entsprechenden Stellen, das heißt derjenigen mit Entscheidungsbefugnis, haben oder haben werden.

Diese Frage ist mit einer zweiten Dimension verknüpft, die es zu untersuchen gilt: die Auswirkungen anderer Personalpolitiken und -praktiken, die laut der jüngsten unabhängigen Bewertung der Fähigkeit des UN-Systems, die Geschlechterparität zu verwirklichen, nach wie vor ›patriarchalisch geprägt‹ sind.[20] Wir wissen aus Anekdoten, dass vor der Pandemie die Entscheidung, ein- oder zweimal pro Woche von zu Hause aus zu arbeiten, mit der Notwendigkeit verbunden war, eine Betreuung für Kleinkinder zu gewährleisten, vor allem, weil es keine entsprechenden Zuschüsse für Beschäftigte mit Kindern unter fünf Jahren gab. An Orten wie dem Amtssitz der UN in New York, wo die Kosten für eine offizielle Kinderbetreuung unerschwinglich sind, stehen Frauen möglicherweise unter unverhältnismäßig großem Druck, flexiblere Regelungen in vollem Umfang zu nutzen, ob sie dies wollen oder nicht. Dies wiederum benachteiligt sie bei einflussreichen Positionen, die eine häufigere persönliche Anwesenheit im Büro erfordern. Diese Zusammenhänge sind komplex und es mag unmöglich sein, sie zu verallgemeinern, aber es wäre weitsichtig von den UN, sich ausdrücklich mit ihnen auseinanderzusetzen und sie anzugehen – so wie die Neuregelung zur Elternzeit.[21]

Schließlich sind zunehmende Spannungen innerhalb des Personals zu bemerken, die durch die Strategie der Geschlechtergleichstellung hervorgerufen werden. Zuweilen ist von ausdrücklichem Unmut über einen künstlichen, wenn nicht sogar in umgekehrter Richtung diskriminierenden Ansatz zur Gleichstellung der Geschlechter zu hören. Das ist bedauerlich, denn die Zahlen zeigen, dass die UN nach wie vor eine weitgehend von Männern dominierte Organisation sind. Problematisch ist es auch deshalb, weil es bei der Gleichstellung der Geschlechter und der Stärkung der Rolle der Frau um so viel mehr geht als um Quoten. Ein Thema, das eigentlich auf den Grundsätzen der Inklusion beruht, wird nun mit Spaltung assoziiert. Das Problem liegt nicht am Thema und der entsprechenden Strategie, sondern an seiner Wahrnehmung. Daher besteht die Lösung darin, die taktische Handhabung zu überdenken und die faktenbasierte Kommunikation zu verbessern. Die Wahl an der Spitze des UN-Sekretariats im Jahr 2026 wäre ein guter Zeitpunkt, um diese Realitäten deutlich zu machen.

 

Nur bedingte Mobilität im UN-Sekretariat

Der Schwerpunkt des UN-Sekretariats zum Thema Mobilität liegt ganz klar auf der individuellen Entwicklung und ist eindeutig darauf ausgerichtet, die UN-Bediensteten zu motivieren, wenn nicht gar zu drängen, ihre beruflichen Erfahrungen durch verschiedene Funktionen, Dienststellen und Standorte zu erweitern.[22] Dies ist nicht überraschend, denn das Zögern der Bediensteten ist eines der Haupthindernisse, den Wechsel zwischen verschiedenen Posten aus Sicht des Sekretariats zu fördern. Dies ist auch einer der Hauptgründe dafür, dass viele frühere Versuche, für mehr Flexibilität zu sorgen, nur bedingt erfolgreich waren. Mehrere UN-Organisationen haben bewährte Mobilitätsprogramme und praktizieren diese konsequent. Aus ihren Erfahrungen lassen sich vier Hypothesen ableiten.

Erstens erzeugt Mobilität in mehrfacher Hinsicht Mobilität. Damit Menschen freiwillig den Arbeitsplatz wechseln, spielen Anreize eine Rolle. Die Verknüpfung von Mobilität und Beförderung ist sehr wirkungsvoll. Wenn eine UN-Organisation eine solide Erfolgsbilanz bei der Belohnung von Mobilität in Form von beruflichem Aufstieg und/oder beruflicher Weiterentwicklung vorweisen kann, schafft dies Vertrauen und Zuversicht in die Mobilität. Je weniger konsequent eine Organisation ist, insbesondere im Hinblick auf häufige Änderungen der Mobilitätspolitik, desto mehr zögern die Bediensteten, ihren Arbeitsplatz zu wechseln. Gleichzeitig steht für viele Bedienstete der berufliche Aufstieg nicht immer im Vordergrund. Die Angst, irgendwo ›festzusitzen‹, macht sie oft risikoscheu. Wenn sie jedoch sehen, dass andere Bedienstete regelmäßig, kontinuierlich und planbar versetzt werden, sind sie vielleicht eher bereit, das Risiko einzugehen.

Zweitens kann und sollte die Mobilität viele Formen annehmen, um ihren Zweck zu erfüllen, nämlich das Berufsleben zu bereichern und die Organisation flexibler zu machen. In vielen UN-Organisationen wird Mobilität oft als Wechsel zwischen Hauptsitz und verschiedenen Einsatzorten verstanden. In den letzten Jahren haben die Vereinten Nationen einige Fortschritte bei der Förderung anderer Arten von Mobilität gemacht, insbesondere zwischen den Abteilungen des Sekretariats und den UN-Organisationen, -Fonds und -Programmen. Der funktionsübergreifenden Mobilität wurde weniger Aufmerksamkeit geschenkt, vor allem im Sekretariat, wo die berufliche Laufbahn in der Regel auf dieselbe Stellenkategorie beschränkt ist. Sie ist jedoch ein regelmäßiges Merkmal der Mobilität in Einrichtungen wie dem Welternährungsprogramm (World Food Programme – WFP) und dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations Development Programme – UNDP).

In der heutigen Welt müssen UN-Bedienstete verschiedene Themen aus unterschiedlichen Blickwinkeln verstehen. Dabei kommt es auf die Vielseitigkeit der Fähigkeiten und Erfahrungen an, die nur durch multidimensionale Mobilität erworben und vertieft werden können. Werden diese Dimensionen jedoch nicht beachtet, entsteht ein Spannungsverhältnis zwischen ihnen. Vor allem die funktionsübergreifende Mobilität kann die standortübergreifende Mobilität blockieren. Dieses Spannungsverhältnis hat sich am deutlichsten im Sekretariat gezeigt, wo sich viele Bedienstete, die im Außeneinsatz ›festsitzen‹, darüber beschwert haben, dass ihre Kollegen ihre Uhr in der Zentrale durch den Austausch von Funktionen bequem zurückgestellt haben. Dadurch wird die Möglichkeit dieser Bediensteten, aus dem Außeneinsatz zurückzukommen, weiter eingeschränkt. Die Bestimmungen im neuen Mobilitätskonzept, mit denen diese Schlupflöcher geschlossen werden sollen, sind eine willkommene Entwicklung.

Schließlich ist es wichtig zu erkennen, dass die UN intern nur begrenzt zur Förderung der Mobilität beitragen können. Im Zuge der Einführung des neuen Konzepts durch das Sekretariat wird es interessant sein zu beobachten, wie sich der globale Kontext auf die Bereitschaft des Personals auswirkt, sich trotz aller internen Anreize für die Mobilität zu entscheiden. Der anhaltende Abwärtstrend bei der Zahl der Beschäftigten in friedenserhaltenden und politischen Missionen kann bei den Bediensteten weltweit zu Ängsten aufgrund von einer Unvorhersehbarkeit führen. Da der Handlungsspielraum der Vereinten Nationen immer geringer wird, könnte es für einige Bedienstete schwierig sein, der Aufforderung durch ihr Personalportal, ihren Horizont durch Mobilität zu erweitern, wirklich Folge zu leisten.
 

Anpassung erforderlich

Die Vereinten Nationen haben keine andere Wahl, als sich anzupassen, zu reformieren und ständig neu zu erfinden. Die UN müssen flexibler, beweglicher und reaktionsfähiger werden, was die Organisation, die Vergütungen und die Einstellung von Bediensteten und Fremdpersonal anbelangt. Sie müssen die Vielfalt in verschiedenen Dimensionen schätzen und nutzen und die Generationenvielfalt fördern. Der Schwerpunkt muss auf Personalmanagement und -führung, auf Werte, Ziele und das Gemeinwohl gelegt werden, um eine Vielzahl von Beschäftigten mit spezifischen Fähigkeiten anzusprechen und langfristig an die Organisation zu binden. Während die Führungskräfte versuchen, strategisch auf eine vielfältigere und mobilere Belegschaft hinzuarbeiten – mit Geschlechtergleichstellung, größerer Altersvielfalt und Mobilität zwischen den einzelnen UN-Bereichen –, planen die einzelnen Bediensteten ihre Laufbahn. Sie werden entscheiden, ob sie bei den Vereinten Nationen bleiben, sie verlassen oder zurückkehren, je nachdem, ob sie sich als Teil einer hoffentlich zunehmend lebendigen, vielfältigen und integrativen Belegschaft fühlen.

Aus dem Englischen von Angela Grossmann.

 

[1] UN, The Sustainable Development Goals Report 2023: Special Edition, New York 2023, unstats.un.org/sdgs/report/2023/

[2] UN, UN System-wide Strategy on Gender Parity, New York 2017, www.un.org/gender/content/strategy

[3] UN, Youth 2030. Working With and for Young People, New York 2018, www.unyouth2030.com/about

[4] UN, United Nations Disability Inclusion Strategy, New York 2019, www.un.org/en/content/disabilitystrategy/

[5] UN, Our Common Agenda. Report of the Secretary-General, New York 2021, www.un.org/en/content/common-agenda-report/

[6] Drei UN-Einrichtungen, die in der CEB-Finanzstatistik 2022 aufgeführt sind, sind nicht in der Personalstatistik 2022 berücksichtigt: die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (Organisation for the Prohibition of Chemical Weapons – OPCW), das Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Wüstenbildung (United Nations Convention to Combat Desertification – UNCCD) und die Welthandelsorganisation (World Trade Organization – WTO).

[7] Die UN-Personaldaten sind online unter unsceb.org/ verfügbar, mit Datenvisualisierungen und der Möglichkeit, spezifische Datenschnitte im Excel- oder CSV-Format für eine weitergehende Datenanalyse herunterzuladen. Darüber hinaus wurde die Datenerhebung zu Kündigungen und Neueinstellungen, die zuvor von UN Women eigenständig vorgenommen wurde, in die Datenmanagementplattform des CEB integriert.

[8] Veronika Tywuschik-Sohlström, Who Leads the UN? What UN Demographics can Reveal About Leadership, The Art of UN Leadership, Framing What’s Blue, Dag Hammarskjold Foundation, Uppsala 2020, S. 100–111; Veronika Tywuschik-Sohlström/Marc Jacquand/Henriette Keijzers, United Nations 2.0: Can the Current Leadership Deliver the Workforce it Requires?, Dag Hammarskjold Foundation, Uppsala 2022, S. 137–154.

[9] The Secretary-General Mentions Diversity, Agility and Accountability, UN Doc. A/77/590 v. 16.9.2022.

[10] Tywuschik-Sohlström/Jacquand/Keijzers, United Nations 2.0, a.a.O. (Anm. 8).

[11] UN Doc. A/77/818 v. 3.4.2023.

[12] Siehe auch UN Doc. A/75/540/Add.1. v 19.11.2020.

[13] ICSC, ICSC Chairman’s Message on the ICSC’s New Parental Leave Framework, 9.1.2023.

[14] Composition of the Secretariat: Staff Demographics, UN Doc. A/66/347 v. 8.9.2011, A/76/570 v. 29.11.2021, A/77/580 v. 7.12.2022.

[15] Zum Zeitpunkt der Abfassung des vorliegenden Beitrags war der Bericht des Generalsekretärs über die Verbesserung der Stellung der Frau im Jahr 2023 noch nicht fertiggestellt. Daher gab es keinen Zugang zu den Kündigungszahlen im gesamten UN-System.

[16] Das UN-Sekretariat hatte einen Ausgaben- und Einstellungsstopp in den Jahren 2021, 2022 und 2023.

[17] UN Doc. A/76/570 v. 29.11.2021.

[18] UN, Career Satisfaction: A Support Framework for All Staff of the United Nations Secretariat, New York 2021.

[19] World Economic Forum, Global Gender Gap Report 2023, 20.6.2023, www.weforum.org/reports/global-gender-gap-report-2023/

[20] Siehe PassBlue, Accompanying Note – ›Independent Review of the UN System’s Capacity to Deliver on Gender Equality‹, www.passblue.com/wp-content/uploads/2023/06/gender-equality-report.pdf

[21] ICSC, ICSC Chairman’s message, a.a.O. (Anm. 13).

[22] UN, HR Portal, Staff Mobility, hr.un.org/page/staff-mobility-home