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Sollte Deutschland einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat erhalten? Ja!

Florian Laudi ist Beauftragter für die Vereinten Nationen und Terrorismusbekämpfung im Auswärtigen Amt. Er plädiert für eine umfassende Reform des Rates als zeitgemäße Antwort auf Krisen des multilateralen Systems.

Blick auf die Sitzung des Sicherheitsrats zur Friedenskonsolidierung in Westafrika. UN Photo/Eskinder Debebe

Deutschland ist seit 50 Jahren Mitglied in den Vereinten Nationen. Über alle bisherigen Bundesregierungen hinweg war das Engagement in den Vereinten Nationen ein wesentlicher Pfeiler der deutschen Außenpolitik. Seit der Wiedervereinigung hat Deutschland vier Mal als nichtständiges Mitglied des Sicherheitsrats der Weltgemeinschaft gezeigt, dass es bereit und fähig ist, Mitverantwortung für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit zu übernehmen. Für die Jahre 2027 und 2028 werden wir dies hoffentlich erneut unter Beweis stellen können.

Deutschland hat sich über die Jahrzehnte hinweg in die erste Liga der UN-Mitgliedstaaten hoch­-gespielt: Es ist – zählt man die freiwilligen Beiträge mit – der zweitgrößte finanzielle Unterstützer der UN. Es gestaltet in vielen Gremien mit – derzeit zum Beispiel als Ko-Fazilitator für den Zukunftsgipfel, der im Jahr 2024 zu zahlreichen globalen Herausforderungen multilaterale Lösungsansätze präsentieren soll. Es unterstützt die UN-Friedenssicherung konzeptionell und personell. Deutschland liegt in den Top 5 der größten Volkswirtschaften und beim ›Global Governance Index‹ der Robert-Bosch-Stiftung zu internationalem Engagement in Schlüsselbereichen von globaler Tragweite auf dem ersten Platz. Damit lässt es alle ständigen Ratsmitglieder hinter sich.

Skeptiker verweisen gern darauf, dass eine Erweiterung des Rates um neue ständige Mitglieder schlicht illusorisch sei: Zu groß seien die – offenen und verdeckten – Blockaden einiger Besitzstandswahrer. Und tatsächlich stehen die Zeichen in den UN eher auf eine wachsende Polarisierung einschließlich zu Fragen von Frieden und Sicherheit. Dennoch ist in diesem lange blockierten Dossier gerade wieder etwas Bewegung spürbar – es speist sich aus dem stärkeren Engagement der USA und aus deutlichem Handlungsdruck mit Blick auf den Zukunftsgipfel. 

Besonders gravierend ist das Fehlen ganzer Kontinente im Kreis der ständigen Mitglieder. Histo­rische Ungerechtigkeit sollte nicht nur aus Sicht der afrikanischen Gruppe unbedingt begradigt werden. Hier stehen wir an der Seite Afrikas: Auch das Modell der Gruppe der Vier (G4), zu dem sich Brasilien, Deutschland, Indien und Japan zusammengeschlossen haben, sieht zwei neue ständige Sitze für afrikanische Staaten vor, weiterhin eine ständige Repräsentanz Lateinamerikas, eine um zwei weitere ständige Sitze verstärkte asiatische Gruppe und einen weiteren ständigen Sitz für die Gruppe der westeuropäischen und anderen Staaten, der Deutschland angehört.

Einige weisen gerne darauf hin, dass Deutschlands Ambition anachronistisch sei: Als Zeichen der europäischen Integration solle am runden Tisch dauerhaft die Europäische Union (EU) Platz nehmen. Doch gilt: So lange laut UN-Charta der Weg zur Mitgliedschaft nur Staaten offensteht, ist einem Sitz für die EU der Riegel vorgeschoben. Unabhängig davon würde dies die schwierige Frage nach dem bestehenden französischen Sitz auf das Tableau bringen. Daher lautet unsere Vision: eine französische und eine deutsche Stimme im Rat – gemeinsam für Europa.

Zu guter Letzt: Grundsätzlich muss sich der Druck von einer Rechtfertigung des Handelnwollens zu einer Rechtfertigung des Nichthandelns und Blockierens verschieben. Eine Institution, die die Welt vor mehr als 70 Jahren widerspiegelt, ist nicht dafür ausgestattet, die Herausforderungen für Frieden und Sicherheit von heute und morgen zu bewältigen. Die Legitimität des Rates in aktueller Konfiguration erodiert jeden Tag ein wenig mehr. Hier spielt auch der öffentliche Raum als Interessensgruppe und Resonanzboden eine wichtige Rolle – denn letztlich ist eine umfassende Reform des Sicherheitsrats im Interesse der Weltgemeinschaft.
 

Zum Standpunkt von Prof. Dr. Gunther Hellmann (kontra), Professor für Politikwissenschaft an der Goethe Universität Frankfurt am Main.