Es hatte hohen Symbolgehalt, daß der Millenniums-Gipfel unter dem gemeinsamen Vorsitz zweier Staatsoberhäupter stand, die Nord und Süd repräsentierten. Den Wandel in der mittlerweile 55-jährigen Geschichte der Vereinten Nationen bringt schon die Tatsache zum Ausdruck, daß ihre beiden Länder nicht zu den Gründungsmitgliedern der Weltorganisation zählten: Finnland wurde erst 1955 aufgenommen, Namibia erlangte 1990 die völkerrechtliche Souveränität. Die Aufnahme des Südafrika vom Völkerbund anvertrauten Mandatsgebiets und in der Folgezeit »veruntreuten Pfandes« Südwestafrika in die internationale Staatengemeinschaft erfolgte, nachdem die Vereinten Nationen über Jahrzehnte hinweg dem Thema einen wichtigen Platz auf ihrer Agenda eingeräumt hatten. Unter Federführung der UN vollzog sich auch der Unabhängigkeitsprozeß der einstigen deutschen Kolonie, der mit Hilfe einer großangelegten Friedensoperation - 1989/90 war die >Unterstützungseinheit der Vereinten Nationen für die Übergangszeit (UNTAG) vor Ort - gestaltet wurde. Dies hat, nicht ohne kritische Anmerkungen zur Rolle einiger Mitglieder des Sicherheitsrats, der Präsident Namibias in einem Beitrag für diese Zeitschrift gewürdigt. Sein Land hat mittlerweile einen respektierten Platz in der internationalen Arena eingenommen: 1998 wurde es für die Amtsperiode 1999/2000 in den Sicherheitsrat gewählt, der Außenminister präsidierte der 54. Ordentlichen Tagung der UN-Generalversammlung (sowie drei Sondergeneralversammlungen), und der Staatspräsident übte nicht nur die prestigeträchtige Funktion beim Gipfel der Staats- und Regierungschefs in New York Anfang September aus, sondern hat seit August auch den Vorsitz der 14 Mitgliedstaaten umfassenden Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrika (SADC) inne. Namibia ist somit ein in das internationale Geschehen umfassend einbezogenes Entwicklungsland, das eine für einen Staat mit weniger als zwei Millionen Einwohnern beachtliche Aufmerksamkeit genießt. Was die äußeren Attribute der Staatlichkeit und die Integration in die Völkergemeinschaft angeht, läßt sich Namibia gewiß als Musterfall einer erfolgreichen Umsetzung geltender Normen des internationalen Rechts beschreiben. Aber haben sich auch die Erwartungen im Hinblick auf eine ähnlich vorbildliche demokratische und soziale Entwicklung im Innern erfüllt? Ein renommierter Völkerrechtler schrieb 1990 in dieser Zeitschrift zur gerade verabschiedeten Verfassung des Landes: »Alle Elemente, die den freiheitlich demokratischen Staat westlicher Prägung kennzeichnen, finden sich auch in der namibischen Verfassung verankert.« Zur »Gewährleistung von Freiheit und Rechtsstaatlichkeit« hätte man eigentlich nichts besser machen können. Gewisse Zweifel aber blieben, denn die »Errungenschaften von Gewaltenteilung, Rechtsstaatlichkeit und Freiheitssicherung dürfen nicht den Blick dafür verstellen, daß von dem Verfassungssystem auch viele Leistungen aktiven Handelns erwartet werden.« Zehn Jahre danach wird man also fragen müssen, welcher Umgang heute mit den konstitutionellen Rechten gepflegt wird, aber auch danach, ob sich die Verhältnisse für die Mehrheit der Bevölkerung verbessert haben. Zu bewerten gilt es auch, dass das Land nicht nur in den Bürgerkrieg im benachbarten Angola verwickelt ist, sondern auch zum Kriegsteilnehmer beim Regionalkonflikt im Kongo wurde, mit dem es keine gemeinsame Grenze hat.