»Ein Blick auf die Lage der Entwicklungspolitik und die Fortschritte, die sie in den letzten zehn Jahren gemacht hat, zeigt, daß wir es mit einer Entwicklungskrise zu tun haben. Sie wird durch Stagnation der öffentlichen Entwicklungshilfeleistungen, wachsende Schuldenberge der Länder in der Dritten Welt sowie breite und immer weiter auseinanderklaffende Gräben beim wirtschaftlichen Fortschritt bestimmt. Die ärmsten Länder geraten dabei in eine zunehmend ausweglosere wirtschaftliche Ghettoisierung, die durch Armut und drohendes Unglück gekennzeichnet ist.«
Diese Lagebeurteilung stammt nicht aus den letzten Wochen, wie man vermuten könnte, beispielsweise als Reaktion auf die im Februar dieses Jahres in Paris veröffentlichten neuesten Entwicklungshilfe-Zahlen (ein Rückgang im Jahre 1995 von real 9 vH gegenüber dem Vorjahr), sondern von - 1974. Es handelt sich um die einleitenden Sätze zum Jahresbericht des damaligen Vorsitzenden des Entwicklungshilfeausschusses (DAC) der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), Maurice J. Williams.
Viel geändert hat sich seitdem nicht. Entwicklungspolitiker, Kirchen, Nichtregierungsorganisationen und andere jammern unverändert über den rückläufigen Stellenwert der Entwicklungszusammenarbeit, national wie international. Im zwischenstaatlichen Bereich spielt vor allem der OECD-Entwicklungshilfeausschuß die Rolle der Klagemauer. Durch hektische Produktion entwicklungspolitischer Konzepte - allein drei in den letzten acht Jahren - versucht der DAC, dem vermeintlichen Bedeutungsverlust der Entwicklungspolitik entgegenzuwirken. Dabei setzt er seit einigen Jahren verstärkt auf Vernebelungstaktik und Ideologie.