Menü

Standpunkt | Für ein Ministerium für Globale Strukturpolitik

Christian E. Rieck ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Historischen Institut der Universität Potsdam und Lehrbeauftragter für Internationale Beziehungen in Berlin und Madrid. Er fordert, dass das Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (BMZ) sich konsequent dem Schutz globaler Güter verpflichten sollte.

Im Januar wurde die ehemalige Greenpeace-Chefin Jennifer Morgan Sonderbeauftragte für inter­nationale Klimapolitik im Auswärtigen Amt. Es wäre jedoch sinnvoller gewesen, dieses Politikfeld dem BMZ zuzuschlagen. Das BMZ – wohl der wichtigste Verbündete der Vereinten Nationen im Bundeskabinett – sollte sodann zu einem Bundesministerium für Globale Strukturpolitik ausgebaut werden. Die kosmopolitisch orientierte Klima- und Entwicklungszusammenarbeit sollte nicht der traditionellen, stärker dem nationalen Interesse verpflichteten, Diplomatie unterstellt, sondern konsequent dem Schutz der globalen Güter verpflichtet werden.

In dieser Verschmelzungsthese scheint ein positiver global-strukturpolitischer Gestaltungsoptimismus durch – interessant auch, obwohl wegen der Verdunklung der internationalen Rahmenbedingungen gerne eine Reduktion außenpolitischer Handlungsspielräume konstatiert wird. Für die globale Nachhaltigkeitswende bleibt Entwicklungszusammenarbeit (EZ) ein wichtiges Instrument, denn sie vermag durch EZ-Bilateralismus und internationale Entwicklungsorganisationen nationale wie multilaterale Governance-Ebenen aufeinander abzustimmen. Diese Ausrichtung ist zur Kernaufgabe des BMZ geworden und wird gemeinhin als ›globale Strukturpolitik‹ bezeichnet.

Bessere Ergebnisse auf dem Weg zur globalen Nachhaltigkeit sind möglich.

Die EZ dient zurecht nicht allein dem Übereinkommen von Paris über Klimaänderungen, sondern dem Gesamtprogramm der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung (Agenda 2030), das als ›Betriebssystem der globalen Entwicklungspolitik‹ alle Themenfelder nachhaltiger Entwicklung seit dem Erdgipfel im Jahr 1992 vereinigt. Mehr außenpolitische Kohärenz scheint hier nur durch mehr strategischen Dialog zwischen allen Ministerien erreichbar, obwohl solche Abstimmungen sehr viel politische Aufmerksamkeit binden. Hier sollte die Bundesregierung ein regelmäßig zu aktualisierendes, ressortgemeinsames ›Weißbuch Globale Öffentliche Güter‹ auflegen, um das innovative aber blutleere ›Weißbuch Multilateralismus‹ zu ersetzen.

Innerhalb des BMZ konkurrieren bisher zwei Rollenkonzepte: ›Selbstbeschränkung durch Spezialisierung‹ stellt auf die ärmsten Staaten der Welt ab und positioniert das BMZ als Agentur für die spezifischen Probleme der Entwicklungsländer, während ›Selbstbehauptung durch Globalisierung‹ auf die Stärkung transnationaler Netzwerke zum Schutze der globalen Güter fokussiert, um so kollektive Problemlösungsfähigkeiten zu verbessern. Beide stehen für die ›globalstrukturelle Wende‹ in der deutschen EZ: Das Übereinkommen von Paris und die Agenda 2030 auf der multilateralen Ebene sowie der ›Pakt‹ und der ›Marshallplan mit Afrika‹ auf der bilateralen und regionalen Ebene sind alles Versuche, durch die Ausrichtung aller Governance-Ebenen globale Strukturpolitik zu gestalten.

Das BMZ hier als Bundesministerium für Globale Strukturpolitik neu aufzustellen, verspricht langfristig bessere Ergebnisse auf dem Weg zur globalen Nachhaltigkeit als ein gleichsam ›renationalisiertes‹, dem EZ-Bilateralismus verpflichtetes Entwicklungsministerium. Es vermag durch seine spezifische Kooperationslogik auch die liberale Weltordnung gegen die Herausforderungen durch illiberale Großmächte zu stärken – sofern Deutschland auf die Hilfe einer in diesem Sinne erweiterten ›Allianz für den Multilateralismus‹ bauen kann. Auch der Krieg in der Ukraine zeigt, dass sich ein erfolgreiches Auswärtiges Amt auf den Realismus der Großmächtepolitik konzentrieren muss – und den notwendigen ›utopischen Überschuss‹ der globalen Strukturpolitik dem BMZ überlassen sollte.

 

Lesen Sie auch den Standpunkt Fehlende UN-Strategie von Dr. Günther Unser in diesem Heft. Er ist Politikwissenschaftler und Akademischer Oberrat i.R. am Institut für Politische Wissenschaft der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen und fordert die Ausarbeitung einer kohärenten deutschen UN-Politik mit konkreten Zielvorgaben und Umsetzungsstrategien.

Das könnte Sie auch interessieren


  • Auf dem dunkelblauen Cover des Global Sustainable Development Reports steht "Time of Crisis, Times of Change" und es ist eine Erde mit Menschen, Natur und einem Pfeil nach rechts oben zu sehen.

    Kleine Schritte reichen nicht: „Weltbericht über nachhaltige Entwicklung“

    28.09.2023
    Seit 2015 gibt es die Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs), bis 2030 sollen sie umgesetzt sein. Zeit für eine Zwischenbilanz. Der „Weltbericht über nachhaltige Entwicklung 2023“ der Vereinten Nationen bietet dafür eine zentrale… mehr

  • Die Ziele für nachhaltige Entwicklung

    UN-Basis-Informationen 52Die Ziele für nachhaltige Entwicklung

    22.09.2023
    »Niemand soll zurückgelassen werden.« Mit diesem Versprechen beschlossen 2015 alle UN-Mitgliedstaaten die Ziele für nachhaltige Entwicklung, die bis 2030 verwirklicht werden sollen. Insgesamt 17 Ziele und 169 Zielvorgaben wurden in der Agenda 2030… mehr

  • Deutschland und die Agenda 2030

    08.02.2017
    Die Agenda 2030 gibt Antworten auf Fragen, denen sich deutsche Politik in Zukunft stellen muss. Nachhaltiger Wohlstand kann nur erreicht werden, wenn jeder in die Pflicht genommen wird. Damit hat die Agenda 2030 die klassische Teilung zwischen Nord… mehr

  • Auf Kurs Nachhaltigkeit? Wir befragen die Generalsekretäre

    05.03.2021
    Klimawandel, Armut, Kriege und Konflikte – die globalen Herausforderungen sind gewaltig und mit der Corona-Pandemie noch einmal verschärft. Wenige Monate vor der Bundestagswahl befragen wir die Generalsekretäre: Wie positionieren sich die Parteien zu… mehr

  • Podiumsdiskussion zur deutschen UN Politik

    Deutsche UN-Politik: Multilateralismus stärken

    03.07.2017
    Breite Unterstützung für eine aktivere Rolle Deutschlands in der UN äußerten Bundestags-abgeordnete bei einer Podiumsdiskussion der DGVN in Berlin. Deutschland sollte die gegenwärtige weltpolitische Lage für eine Stärkung des Multilateralismus… mehr