Standpunkt | Für ein Ministerium für Globale Strukturpolitik
Im Januar wurde die ehemalige Greenpeace-Chefin Jennifer Morgan Sonderbeauftragte für internationale Klimapolitik im Auswärtigen Amt. Es wäre jedoch sinnvoller gewesen, dieses Politikfeld dem BMZ zuzuschlagen. Das BMZ – wohl der wichtigste Verbündete der Vereinten Nationen im Bundeskabinett – sollte sodann zu einem Bundesministerium für Globale Strukturpolitik ausgebaut werden. Die kosmopolitisch orientierte Klima- und Entwicklungszusammenarbeit sollte nicht der traditionellen, stärker dem nationalen Interesse verpflichteten, Diplomatie unterstellt, sondern konsequent dem Schutz der globalen Güter verpflichtet werden.
In dieser Verschmelzungsthese scheint ein positiver global-strukturpolitischer Gestaltungsoptimismus durch – interessant auch, obwohl wegen der Verdunklung der internationalen Rahmenbedingungen gerne eine Reduktion außenpolitischer Handlungsspielräume konstatiert wird. Für die globale Nachhaltigkeitswende bleibt Entwicklungszusammenarbeit (EZ) ein wichtiges Instrument, denn sie vermag durch EZ-Bilateralismus und internationale Entwicklungsorganisationen nationale wie multilaterale Governance-Ebenen aufeinander abzustimmen. Diese Ausrichtung ist zur Kernaufgabe des BMZ geworden und wird gemeinhin als ›globale Strukturpolitik‹ bezeichnet.
Bessere Ergebnisse auf dem Weg zur globalen Nachhaltigkeit sind möglich.
Die EZ dient zurecht nicht allein dem Übereinkommen von Paris über Klimaänderungen, sondern dem Gesamtprogramm der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung (Agenda 2030), das als ›Betriebssystem der globalen Entwicklungspolitik‹ alle Themenfelder nachhaltiger Entwicklung seit dem Erdgipfel im Jahr 1992 vereinigt. Mehr außenpolitische Kohärenz scheint hier nur durch mehr strategischen Dialog zwischen allen Ministerien erreichbar, obwohl solche Abstimmungen sehr viel politische Aufmerksamkeit binden. Hier sollte die Bundesregierung ein regelmäßig zu aktualisierendes, ressortgemeinsames ›Weißbuch Globale Öffentliche Güter‹ auflegen, um das innovative aber blutleere ›Weißbuch Multilateralismus‹ zu ersetzen.
Innerhalb des BMZ konkurrieren bisher zwei Rollenkonzepte: ›Selbstbeschränkung durch Spezialisierung‹ stellt auf die ärmsten Staaten der Welt ab und positioniert das BMZ als Agentur für die spezifischen Probleme der Entwicklungsländer, während ›Selbstbehauptung durch Globalisierung‹ auf die Stärkung transnationaler Netzwerke zum Schutze der globalen Güter fokussiert, um so kollektive Problemlösungsfähigkeiten zu verbessern. Beide stehen für die ›globalstrukturelle Wende‹ in der deutschen EZ: Das Übereinkommen von Paris und die Agenda 2030 auf der multilateralen Ebene sowie der ›Pakt‹ und der ›Marshallplan mit Afrika‹ auf der bilateralen und regionalen Ebene sind alles Versuche, durch die Ausrichtung aller Governance-Ebenen globale Strukturpolitik zu gestalten.
Das BMZ hier als Bundesministerium für Globale Strukturpolitik neu aufzustellen, verspricht langfristig bessere Ergebnisse auf dem Weg zur globalen Nachhaltigkeit als ein gleichsam ›renationalisiertes‹, dem EZ-Bilateralismus verpflichtetes Entwicklungsministerium. Es vermag durch seine spezifische Kooperationslogik auch die liberale Weltordnung gegen die Herausforderungen durch illiberale Großmächte zu stärken – sofern Deutschland auf die Hilfe einer in diesem Sinne erweiterten ›Allianz für den Multilateralismus‹ bauen kann. Auch der Krieg in der Ukraine zeigt, dass sich ein erfolgreiches Auswärtiges Amt auf den Realismus der Großmächtepolitik konzentrieren muss – und den notwendigen ›utopischen Überschuss‹ der globalen Strukturpolitik dem BMZ überlassen sollte.
Lesen Sie auch den Standpunkt Fehlende UN-Strategie von Dr. Günther Unser in diesem Heft. Er ist Politikwissenschaftler und Akademischer Oberrat i.R. am Institut für Politische Wissenschaft der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen und fordert die Ausarbeitung einer kohärenten deutschen UN-Politik mit konkreten Zielvorgaben und Umsetzungsstrategien.