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Belastendes Erbe

Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Gründung der Vereinten Nationen im Jahr 1945 verstärkte sich ein Trend, der sich bereits im 19. Jahrhundert andeutete: die Dekolonisation.

Schmucktor in Kigali, Ruanda
Kigali, Ruanda - Erlangung der Unabhängigkeit dieses ehemaligen UN-Treuhandgebiets am 1. Juli 1962. UN Photo/BZ

Zahlreiche ehemalige Kolonien erklärten nach dem Jahr 1945 ihre Unabhängigkeit. Dies zeigte sich auch in der stetig steigenden UN-Mitgliedschaft. Die neue Weltorganisation bot den neuen Staaten mit der Mitgliedschaft das ultimative Ziel, denn nur mit dieser wurde die endgültige Souveränität völkerrechtlich anerkannt. Doch das Thema ist damit nicht abgeschlossen, denn die Konsequenzen wirken bis heute nach: sei es etwa in den Debatten um ein unabhängiges Palästina oder hinsichtlich der Rückgabe von beweglichem Kulturerbe. So vermag es zu Letzterem möglicherweise kein Zufall gewesen sein, dass auf der diesjährigen Berlinale der französische Dokumentarfilm ›Dahomey‹ von Mati Diop gewann, der sich dem Thema koloniale Beutekunst aus dem heutigen Benin widmet.

Die Dekolonisation war die bedeutendste und unerwartete politische Revolution des 20. Jahrhunderts, bei der die Vereinten Nationen eine zentrale Rolle einnahmen, so Kal Raustiala. Er befasst sich mit dem Wirken von Ralph Bunche, dem afroamerikanischen Friedensnobelpreisträger und UN-Untergeneralsekretär, der maßgeblich an der Dekolonisation beteiligt war und die Rolle der UN in diesen Fragen stärkte. Alanna O'Malley zeichnet den langen und verschlungenen Pfad zur Befreiung nach und wirft die Frage auf, ob der Dekolonisationsprozess nun abgeschlossen sei. Der Minister für Sport in der Regionalregierung Neukaledoniens und gleichzeitig Beauftragter für internationale Angelegenheiten, Mickaël Forrest, sieht in der Rubrik ›Drei Fragen an‹ Neukaledonien auf dem Weg zur Emanzipation gegenüber Frankreich und zur kulturellen, sozialen und politischen Souveränität. Die heutige Herausforderung sieht er vor allem in der Geopolitik, die die Pazifikregion nicht verschont. Celina S. Lubahn Greppler und Jan Homann befassen sich in ihrem Beitrag mit dem beweglichen Kulturerbe: Nach 50 Jahren Restitutionsverhandlungen in der UN-Generalversammlung zeichnet sich in der Staatenpraxis und der Sprache der Staatengemeinschaft ein neuer Zeitgeist ab. Für die ehemaligen europäischen Kolonialmächte sei es nun an der Zeit, systematische Lösungen zu finden. Die Vereinten Nationen böten hierzu den nötigen Rahmen.

Zum Heft 2/2024