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Aufhebung des Patentschutzes für COVID-19-Impfstoffe? Nein!

Anne Jung fordert, dass Arzneimittel als globale öffentliche Güter behandelt werden, um die COVID-19-Pandemie gerecht zu bekämpfen. Han Steutel lehnt die Aufhebung des Patentschutzes ab, da Forschung behindert und das Problem der noch fehlenden Produktionskapazitäten verschärft würden.

 

Impfstoffampulle
SARS-COV-2 Impfstoff. Foto: Flickr/Tim Reckmann

Han Steutel ist Präsident des Verbands der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa). Er lehnt für die Branche die Aufhebung des Patentschutzes für Impfstoffe ab, da sie Forschung behindert und das Problem der noch fehlenden Produktionskapazitäten weiter verschärfen würde.

Die forschenden Pharmaunternehmen haben in Rekordzeit Impfstoffe gegen COVID-19 entwickelt, sie zur Zulassung gebracht und deren Großproduktion aufgebaut. Dies war und ist eine Mammutaufgabe. Jetzt bauen sie die Produktion immer weiter aus und knüpfen ständig wachsende Produktionsnetzwerke. 

Die Entwicklung der Impfstoffe beruht teilweise auf jahrzehntelanger Vorarbeit. Es waren vor allem private Geldgeber und Unternehmen, die dabei ins finanzielle Risiko gegangen sind, um wissenschaftliche Erkenntnisse weiterzuentwickeln und neue Technologien zur Marktreife zu bringen. Sie taten dies mit der Aussicht, dass ihr geistiges Eigentum durch Patente geschützt wird und ihre Investitionen die Chance bekommen, sich zu amortisieren. Das Argument, ›der Staat‹ hätte eigentlich alles finanziert, hält genau aus diesem Grund der Überprüfung nicht stand: Staatliche Gelder sind in größerem Umfang erst geflossen, als sich abzeichnete, dass die Impfstoffe wirken würden – und sollten die Produktion anschieben.

Impfstoffproduktion lässt sich nicht über Nacht auf der grünen Wiese errichten. Und die vor Ort benötigte Expertise der Fachkräfte, Kühlgeräte und hochtechnologische Bestandteile für die Herstellung des Serums sind nur begrenzt verfügbar. Ohne unternehmerisches Denken mit der Aussicht auf Patentschutz hätte es weder so schnell Impfstoffe gegeben noch würden die Unternehmen in der Lage sein, Milliarden Dosen zu liefern. Eine Aufhebung des Patentschutzes würde nicht dafür sorgen, dass auch nur eine einzige Dosis Impfstoff schneller zur Verfügung steht. Wahrscheinlich wäre sogar das Gegenteil der Fall: Die Originalhersteller würden keinen Anreiz mehr haben, sich an einer schnellstmöglichen weltweiten Versorgung mit Impfstoffen zu beteiligen. Auch eine Umrüstung bestehender Impfstofffabriken wäre kontraproduktiv, da dann andere wichtige Impfstoffe wegfallen müssten. Leerstehende Impfstofffabriken gibt es unseres Wissens nicht. Selbst Indien, das eigene Impfstoffe entwickelt, sucht händeringend weltweit nach Produktionskapazitäten. Deswegen setzen Pharmaunternehmen auf Kooperation untereinander.

Um alle Regionen zu versorgen und die Pandemie weltweit schnellstmöglich zu besiegen, haben die Regierungen der internationalen Staatengemeinschaft sowie privat-öffentliche Partnerschaften beschlossen, die Initiative Globaler Zugang zu COVID-19-Impfstoffen (COVID-19 Vaccines Global Access – COVAX) ins Leben zu rufen und zu finanzieren. Damit sollen für ärmere Länder Impfstoffe schnell und bezahlbar zur Verfügung gestellt werden. Das COVAX-Prinzip beruht darauf, dass sich 100 reichere Staaten dazu verpflichtet haben, 90 Staaten mit geringeren finanziellen Möglichkeiten zu unterstützen. Es werden die Impfstoffdosen bei Herstellern gekauft und allen Staaten zugeteilt, die ihre Teilnahme an COVAX erklärt haben. Der genaue Ablauf ist durch Leitlinien der Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization – WHO) geregelt und die ersten Impfstoffe sind bereits ausgeliefert.

Hersteller von Impfstoffen, die mit der COVAX-Initiative zusammenarbeiten, sollen durch Vorabkaufverpflichtungen und Vorauszahlungen in die Lage versetzt werden, ihre Produktionskapazitäten schnell und belastbar auszuweiten. Hierbei werden Liefermengen, Lieferfristen und sehr moderate Preise festgelegt. Bis Ende des Jahres 2021 sollen durch COVAX auf diese Weise mindestens zwei Milliarden Impfstoffdosen bereitstehen, um die akute Phase der Pandemie zu überwinden. 

Der Erfolg von COVAX hängt schlussendlich auch an guter und praktikabler Logistik: Es muss dafür gesorgt werden, dass die Impfstoffe auch in abgelegene Gebiete ohne gute Infrastruktur gelangen. Die Impfkampagnen der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass auch dies gelingen kann. Wenn jetzt alle weiter an einem Strang ziehen, kann die Pandemie besiegt werden. Die forschenden Pharmaunternehmen leisten ihren Beitrag dazu.
 

Siehe auch den Standpunkt von Anne Jung, Aufhebung des Patentschutzes für COVID-19-Impfstoffe? Ja!

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