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Stimmen zu Herausforderungen der Wissensvermittlung

- Ein gemischtes Ergebnis

- Für eine evidenzbasierte Politikforschung

- Besserer Wissenstransfer ist etwa in den USA nötig

Die Arbeit an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Politik trägt dazu bei, dass UNU-FLORES in Dresden über Forschung und Lehre hinausgeht und politische Auswirkungen auf die UN hat. FOTO: UNU-FLORES

Ein gemischtes Ergebnis

von Katja Hujo, Senior-Forschungskoordinatorin am Forschungsinstitut der Vereinten Nationen für soziale Entwicklung (UNRISD) in Genf.

Um die Herausforderungen unserer globalen Gesellschaft zu meistern und eine bessere Zukunft zu gestalten, sind wir mehr denn je auf unabhängige wissenschaftliche Forschung sowie an den Normen der UN-Charter ausgerichtete Politikberatung angewiesen. Ob die Vereinten Nationen ihren Zielen im Bereich der Wissensproduktion gerecht werden, wird jedoch häufig infrage gestellt. Mitgliedstaaten zweifeln oft den konkreten Nutzen der UN-Forschung für Politikgestaltung an oder vermuten Duplikation der Arbeit bereits bestehender staatlicher und privater Einrichtungen. Dass Kritik pauschal nicht gerechtfertigt ist, hat das UN Intellectual History Project (UNIHP) eindrucksvoll gezeigt: die Ideen und Forschung der UN haben in vielen Fällen zu sozialem und wirtschaftlichem Fortschritt und einer gerechteren Welt geführt. Zudem katalysiert UN-Forschung globale Wissensproduktion, Netzwerke und Dialog und fördert die Partizipa­tion von Fachleuten aus dem Globalen Süden.

Dennoch sieht sich die Forschung in den UN mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert: Fragmentierung, Mangel an Ressourcen, Wettbewerb statt Kooperation, fehlende Umsetzung von Politikempfehlungen und eine Zunahme der nachfrageorientierten Auftragsforschung, die unabhängige, kritische und innovative Forschung zunehmend verdrängt.

Damit auch in Zukunft Probleme antizipiert und eine Pluralität von Lösungsvorschlägen in die politischen Debatten um nachhaltige Entwicklung, Sicherheit und Frieden Eingang finden, müssen Maßnahmen ergriffen werden, die die unabhängige, kritische, qualitative und politikrelevante Forschung innerhalb der UN ausbauen und das UN-Forschungsprofil stärken. Gerade die kleinen, unabhängigen Forschungsinstitute, die nicht über das UN-Budget finanziert werden, damit ihre Autonomie nicht durch eine Kontrolle der Mitgliedstaaten untergraben wird, reiben sich häufig im Wettbewerb um Projekt- und Auftragsfinanzierung auf, was von ihrer eigentlichen Aufgabe – etwa vernachlässigte Themen sichtbar zu machen oder alternative Perspektiven auf die globale Entwicklungsagenda zu setzen – ablenkt.

Um das Potenzial der UN-Forschung zu maximieren, benötigen wir deshalb verlässliche institutionelle Finanzierung, Schutz der Forschungsunabhängigkeit, Dekolonialisierung des Forschungsprozesses, Förderung von Kooperation und Wissenschaftskommunikation sowie den politischen Willen und entsprechende Mechanismen, um Forschungsergebnisse effektiver in politische Entscheidungsprozesse einzubeziehen.

 

 

Für eine evidenzbasierte Politikforschung

von Dr. Adam Lupel, Vizepräsident und Chief Operating Officer des International Peace Institute (IPI) mit Sitz in New York.

Die Welt ist voller Herausforderungen, aber es lassen sich drei allgemeine Trends erkennen, die für die Umsetzung forschungsbasierter Politikberatung für die UN relevant sind. Erstens, die geopolitischen Gräben vertiefen sich. Die Spannungen zwischen Ost und West waren schon vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine sehr besorgniserregend und haben sich nun verschärft. Auch der Aufstieg Chinas zu einer globalen Macht, die in allen Regionen der Welt um Einfluss kämpft, hat den Wettbewerb zwischen Bejing und Washington, D.C., verschärft. Auch zwischen dem Norden und dem Süden gibt es Spannungen. Die multilate­ralen Verhandlungen werden immer öfter von den gegensätzlichen Forderungen der Industrie- und Entwicklungsländer bestimmt. Die Forschung kann sich nur schwer dem entziehen, durch eine politische Linse betrachtet zu werden. Wo Forschung betrieben wird, ist inzwischen genauso wichtig wie ihre Ergebnisse.

Zweitens, die Veränderungen in der Kommunikation haben zu einer Fragmentierung des Informationsnetzes und zu einem exponentiellen Anstieg von Fehl- und Desinformationen geführt. Insbesondere für UN-Feldmissionen und öffentliche Informationskampagnen ist dies kritisch. Die rasante Entwicklung der künstlichen Intelligenz wird den Informationsmarkt auf unvorhersehbare Weise verändern. ›Deep Fakes‹ könnten schon bald üblich werden. Doch wenn Daten nicht vertrauenswürdig sind, kann evidenzbasierte Forschung kaum noch Menschen überzeugen.

Und schließlich stellen die aktuellen wirtschaftlichen Entwicklungen eine Herausforderung dar. Um den Herausforderungen der politischen Spaltung und des technologischen Wandels entschieden begegnen zu können, bedarf es einer nachhaltigen, verlässlichen und flexiblen Finanzierung. In einer Zeit, in der die Kosten steigen und die Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit sinken, ist es schwieriger, die nötigen finanziellen Mittel zu erhalten. Um sicherzustellen, dass sich die Politik auf die beste wissenschaftliche Forschung stützt, sind Investitionen erforderlich: politische, technologische und finanzielle.

 

 

Besserer Wissenstransfer ist etwa in den USA nötig

von Barbara Crossette, Korrespondentin der New York Times bei den Vereinten Nationen und in Asien. Gegenwärtig schreibt sie für den UN-Blog ›PassBlue‹.

In den USA werden die UN oft als vermeintliche Bedrohung der amerikanischen Souveränität und des Bundeshaushalts betrachtet. Ein Grund für das Misstrauen gegenüber den UN liegt in dem Versäumnis, über das UN-System umfassend zu unterrichten – angefangen von der Vorschule bis hin zur Universität.

Die Zivilgesellschaft hat auf dieses Defizit mit der Gründung verschiedener Organisationen reagiert. Dazu gehört das im Jahr 1996 gegründete Committee on Teaching About the United Nations (CTAUN). Es bietet UN-Informationen und hält Konferenzen zu einer Vielzahl von UN-Themen ab. Daneben haben viele Schulen das ›Model-United Nations‹-Programm eingeführt. Oftmals zeigt sich aber, dass die Durchführung eher einer künstlerischen Darbietung gleicht und dass die Schülerinnen und Schüler kaum über die Positionen und die Politik der Länder, die sie in dem Rollenspiel vertreten, oder über die Grenzen der Diplomatie reflektieren.

Im Hochschulbereich gründete eine Gruppe US-amerikanischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie UN-Bediensteter im Jahr 1987 den Academic Council on the United Nations System (ACUNS), um die Forschung und Lehre über die UN zu unterstützen. ACUNS war anfangs erfolgreich, aber im Laufe der Jahre schien der Enthusiasmus unter den amerikanischen Colleges und Universitäten zu schwinden, von denen erwartet wurde, dass sie die neue Organisation im Rotationsverfahren empfangen würden. Heute ist ACUNS globaler aufgestellt. Ziel ist die Vermittlung von Kenntnissen über die UN an höheren Bildungseinrichtungen, durch Lehrveranstaltungen und den internationalen akademischen Austausch von Forschungsprojekten.