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Standpunkt: Die Bedeutung des IPCC-Berichts für die COP-26

Dr. Carl-Friedrich Schleußner arbeitet beim Forschungs- und Politikberatungsinstitut Climate Analytics in Berlin und ist Berater für kleine Inselstaaten. Er argumentiert, dass die Erkenntnisse des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen (IPCC) entscheidende Impulse für die UN-Klimakonferenz (COP-26) liefern können.

Fragile World - Wandgemälde der britischen Künstlerin Tanya-Lisa Parson im Hampden Park, Eastbourne. www.instagram.com/lady_jewl/

Die Anfang November 2021 stattfindende UN-Klimakonferenz in Glasgow (Conference of the Parties – COP-26) ist die wichtigste Konferenz seit dem Jahr 2015 in Paris. Es steht viel auf dem Spiel. Gleichzeitig sind die Rahmenbedingungen aufgrund der COVID-19-Pandemie mehr als nur herausfordernd. Seit der COP-25 in Madrid im Dezember 2019 haben keine Verhandlungsrunden mehr in Person stattgefunden. Wie es auch virtuell gehen kann, zeigt indes der Zwischenstaatliche Ausschuss für Klimaänderungen (Intergovernmental Panel on Climate Change – IPCC), der im August dieses Jahres den Sechsten Sachstandsbericht der Arbeitsgruppe 1 zu den physikalischen Grundlagen des Klimawandels verabschiedet hat. Die Bedeutung des Berichts für die COP-26 ist nicht zu unterschätzen. Eine Einordnung der wesentlichen Erkenntnisse:

  • Wir sind mittendrin im Klimawandel. Auf-grund der menschengemachten Erwärmung von 1,1 Grad Celsius im letzten Jahrzehnt gegenüber dem vorindustriellen Niveau haben wir das stabile Klima der letzten Jahrtausende verlassen. Der IPCC zeigt auf, wie in der Folge Ex­tremwetter weltweit häufiger und stärker geworden sind. Eine Anpassung an den Klimawandel ist unerlässlich. Die Forderungen des Globalen Südens nach finanzieller Unterstützung zur Bewältigung dieser Herausforderungen sind daher absolut nachvollziehbar.
  • Wesentliche Fortschritte hat die Klimaforschung bei der Abschätzung der Klimasensitivität, also der Frage der zukünftigen Erwärmung bei weiterem Ausstoß von Treibhausgasemissionen, gemacht. Extreme Erwärmungsszenarien können mittlerweile ausgeschlossen werden. Gleichzeitig bestätigt sich, dass das Erreichen von Netto-Null-Kohlendioxid-Emissionen die Grundvoraussetzung zur Stabilisierung des Klimasystems ist. Es ist also klarer als je zuvor, dass die Erreichung von Nullemissionen, zu der sich bereits Staaten mit über zwei Drittel der weltweiten Emis­sionen verpflichtet haben, der einzig richtige Weg sind, um das Pariser Abkommen über Klimaänderungen zu erreichen. 
  • Erstmals liefert der Bericht eine Bewertung von möglichen Kipppunkten der Eisschilde in der Antarktis und Grönlands. Die Unsicherheiten bezüglich dieser Kipppunkte sind substanziell, aber die Bedeutung von glaubwürdigem Klimaschutz und der 1,5-Grad-Celsius-Grenze zur Verringerung des Risikos des Überschreitens solcher kritischer Schwellen wird deutlicher denn je.
  • Das 1,5-Grad-Celsius-Ziel ist nach wie vor in Reichweite. Dies erfordert jedoch eine Halbierung der weltweiten Emissionen bis zum Jahr 2030. Zur COP-26 waren alle Staaten aufgefordert, verschärfte Klimaziele vorzulegen. Das haben längst nicht alle getan, insbesondere große Schwellenländer wie China und Indien. Andere Staaten, wie Australien, Brasi­lien oder Russland, haben ihre Ziele nicht verstärkt. Gleichzeitig sind auch die neuen Ziele Europas oder der USA nicht ausreichend. Effektiver Klimaschutz, da ist sich die Klimaforschung sicher, zeigt direkte Erfolge – durch Verringerung von Luftverschmutzung und Verlangsamung des Erwärmungstrends. 

Die Verhandlungen der COP-26 werden sich um Fragen der Klimaschutzfinanzierung, der Märkte und politischer Zusagen drehen. Für die Frage der Ziel­erreichung des Pariser Abkommens hält die Klimaforschung einige grundlegende Erkenntnisse bereit – die wichtigste: Die Gesetze der Physik lassen nicht mit sich verhandeln. Ob und wie ein globales Momentum zu stringentem Klimaschutz und zur Verschärfung der Klimaziele in diesem Jahrzehnt von der COP-26 ausgehen wird, wird über die Zukunft des Pariser Abkommens entscheiden.