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Sollte Deutschland dem nuklearen Verbotsvertrag beitreten? Ja!

Philipp Holz ist im Vorstand von ICAN Deutschland aktiv, der deutschen Sektion der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen. Er fordert die Bundesregierung auf, unmittelbare Konsequenzen aus den katastrophalen humanitären Folgen von Kernwaffen zu ziehen.

 

Blick in den Saal mit Teilnehmenden der Sonderveranstaltung
Sonderveranstaltung anlässlich des 50. Jahrestags des Vertrags über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (NPT), die von den Ständigen Vertretungen der USA, Großbritannien und Russland Anfang März 2020 in New York organisiert wurde. UN Photo: Eskinder Debebe

Die vermeintliche Unfehlbarkeit nuklearer Abschreckung wird nur selten hinterfragt. Oft werden Einwände als »luftiger Pazifismus« abgetan. Dabei hat uns gleich mehrmals nur Glück vor einem Atomkrieg bewahrt. Die Kubakrise im Jahr 1962 ist das bekannteste Beispiel.

Für gegenwärtige Regierungen sind Kernwaffen eine willkommene Gelegenheit, wie Dompteure im Tigerkäfig ihre eigene Stärke oder aber ihre Bündnistreue zu unterstreichen. Sie benutzen diese Waffen, um zu zeigen, dass sie außenpolitisch kompromisslos, technologisch fortschrittlich oder eben bereit sind, sich auch weiterhin mit Steuergeldern an der nuklearen ›Monstrositätenschau‹ zu beteiligen.

Klar ist, dass die Bundesregierung eine kernwaffenfreie Welt will. Aber offensichtlich fehlen seit Jahrzehnten der Wille und der Mut, die richtigen Schritte zu gehen. Außenminister Heiko Maas wirbt für abrüstungspolitische Maßnahmen, die bereits seit über zwei Jahrzehnten von den Kernwaffenstaaten blockiert werden.

Der im Jahr 2017 verabschiedete Vertrag über das Verbot von Kernwaffen (Treaty on the Prohibition of Nuclear Weapons – TPNW) funktioniert hingegen schon jetzt als Mittel einer Diskursänderung. Kernwaffen werden nicht mehr als die sauberen, unfehlbaren Waffen angesehen, die sie nie waren. Allein im Jahr 2019 haben deshalb neun Finanzinstitute umfassende Strategien zum Ausschluss von Investitionen in Kernwaffen beschlossen. Mit der internationalen Ächtung einer bestimmten Waffenkategorie werden deren Arsenale kleiner und die Hemmschwelle zum Einsatz der Waffen steigt. Das haben die Übereinkommen über die Verbote von Chemiewaffen, Antipersonenminen und Streumunition gezeigt. Inzwischen haben 81 Staaten den TPNW unterschrieben und 35 ratifiziert.

Eine oft geäußerte Kritik ist, dass der TPNW den Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (Treaty on the Non-Proliferation of Nuclear Weapons – NPT) unterlaufen würde. Der Eindruck trügt, denn schon in der Präambel des Vertrags wird ausdrücklich auf die Notwendigkeit einer wirksamen und vollständigen Umsetzung des NPT hingewiesen. Dieses Verständnis erstreckt sich auch auf die Überprüfungsmechanismen. Staaten sind im TPNW dazu verpflichtet, alle zuvor getroffenen Vereinbarungen mit der Internationalen Atomenergie-Organisation (International Atomic Energy Agency – IAEA) beizubehalten. Mit einem Beitritt zum TPNW wird deshalb für 136 Staaten auch das Zusatzprotokoll zu einem Übereinkommen über Schutzmaßnahmen verpflichtend, das sie zuvor nur freiwillig abgeschlossen hatten. Dies bedeutet eine Stärkung der Überprüfungsmechanismen gegenüber dem NPT.

Somit ist der TPNW nicht nur die richtige Konsequenz aus der Inhumanität von Kernwaffen. Er ist auch eine Chance für die Bundesregierung.  Deutschland ist den nichtständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat mit dem Vorhaben angetreten, »als glaubwürdiger Akteur für die Stärkung der internatio­nalen Ordnung aufzutreten [und] noch sichtbarer Verantwortung im multilateralen System zu übernehmen«. Mit dem Abzug der US-amerikanischen Kernwaffen aus dem rheinlandpfälzischen Büchel und einem deutschen Beitritt zum TPNW könnte die Bundesrepublik diesem Versprechen gegenüber der Weltgemeinschaft Folge leisten und dem fortschreitenden Vertrauensverlust in den NPT und in die sicherheitspolitische Wirkmacht der Vereinten Nationen entgegenwirken.

In der Bevölkerung Deutschlands sind Kernwaffen jedenfalls extrem unbeliebt. Laut einer repräsentativen Greenpeace-Umfrage aus dem Jahr 2019 sprechen sich 82 Prozent der Bevölkerung gegen das Weiterbestehen von Kernwaffen aus. Der TPNW dreht die Stimmen all jener Staaten lauter, deren Interessen zuvor von den Kernwaffenstaaten ignoriert wurden. Es gibt also keinen besseren Zeitpunkt, als jetzt beizutreten.

Zum Standpunkt | Sollte Deutschland dem nuklearen Verbotsvertrag beitreten? Nein! von Jan Techau in diesem Heft.

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