Tadschikistan, einst Bestandteil Sowjetisch-Mittelasiens, ist nicht nur am Rande des von der europäisch-nordamerikanischen ›regionalen Abmachung‹ nach Kapitel VIII der UN-Charta – der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) – abgedeckten Gebiets gelegen, sondern befindet sich auch in einer Wetterecke der Weltpolitik. Die Grenze zu Afghanistan verläuft entlang des Amu Darja und des Pjandsch; im Pamirgebirge grenzt das Land an die chinesische autonome Region Sinkiang. Im Südosten ist die pakistanische Grenze, sind Jammu und Kaschmir nicht weit. War das Khanat von Kokand schon vor über hundert Jahren dem Zarenreich einverleibt worden, so gehörte der Süden noch zum wenigstens nominell unabhängigen Emirat von Buchara. Der Norden kam 1918 zur Autonomen Sowjetrepublik Turkestan innerhalb der Russischen Sowjetrepublik, während der Süden 1924 eine Autonome Republik innerhalb der Unionsrepublik Usbekistan bildete. Eigenständige Unionsrepublik in den heutigen Grenzen wurde Tadschikistan 1929. Die Mehrheit der Einwohner sind Tadschiken, die einen ostiranischen Dialekt sprechen. Die stärkste nationale Minderheit stellen die Usbeken, mit einigem Abstand gefolgt von den Russen. Unter den Angehörigen weiterer Minderheiten findet sich auch eine Anzahl von Rußlanddeutschen. Vorherrschende Religion ist der sunnitische Islam. Obgleich in unserer Öffentlichkeit nur marginal wahrgenommen, gehört der tadschikische Konflikt zu den schärfsten im OSZE-Raum. Er enthält fast alles, was ein ›moderner‹ Konflikt zu bieten hat: politische Machtkämpfe, ideologisch-weltanschauliche Kontroversen, Streit um die ordnungspolitische Orientierung, Rivalitäten um wirtschaftliche Ressourcen, regionale Auseinandersetzungen, Ansprüche nationaler Minderheiten, Auftreten von islamistischen Fundamentalisten, Einmischung von Regionalmächten. Obwohl ihm zwischen 1992 und 1997 bis zu 200 000 Menschen zum Opfer gefallen sind, obwohl er eine halbe Million Menschen zur Flucht (zumeist in die armen Nachbarländer) zwang, und obwohl er Menschenrechtsverletzungen erheblichen Ausmaßes mit sich brachte, dachte keine äußere Macht an eine militärische Intervention.