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Große Bühne, glamouröser Auftritt

Hannah Birkenkötter, geb. 1986, ist DGVN-Vorstandsmitglied und Andrea Liese, geb. 1969, ist Professorin für Internationale Organisationen und Politikfelder an der Universität Potsdam. Beide argumentieren, dass Deutschland im UN-Sicherheitsrat zwar vieles richtig macht, ein Eintreten für den Multilateralismus aber mehr verlangt.

Außenminister Heiko Maas im UN-Sicherheitsrat
Für den Monat April übernahm Deutschland den Vorsitz im UN-Sicherheitsrat. Heiko Maas leitete die Sitzung zur Förderung und Stärkung der Rechtsstaatlichkeit unter Wahrung des internationalen Friedens und der internationalen Sicherheit. (UN Photo/Eskinder Debebe)

Zieht man eine frühe Bilanz zu Deutschlands aktueller Mitgliedschaft im Sicherheitsrat, so ist diese auf den ersten Blick sehr positiv. Öffentlichkeitswirksam nutzten Deutschland und Frankreich ihre aufeinanderfolgenden Präsidentschaftsmonate für ein gemeinsames Programm: Stärkung des Multilateralismus, Abrüstung, Konfliktprävention, humanitärer Schutz. Außerdem sollen die Arbeitsmethoden durch einen dynamischeren Austausch während der formellen Debatten und eine stärkere Einbindung zivilgesellschaftlicher Akteure verbessert werden. Das sind kleine, aber wichtige Schritte, um die Effizienz des Sicherheitsrats zu stärken, die von Deutschland auch erwartet werden.

Deutschland ist am East River sehr präsent und legt fast schon einen glamourösen Auftritt hin. Nicht nur der Ständige Vertreter Christoph Heusgen, auch Außenminister Heiko Maas ließ sich oft blicken. Bereits im Januar hielt Maas seine erste Rede zu Klimawandel und Sicherheit. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen leitete im April eine Sitzung zur Rolle von Frauen in UN-Friedenseinsätzen – eine Premiere für das Wehrressort. Auch den großen medialen Auftritt mit prominenten Persönlichkeiten scheute man nicht.

Deutschland möchte zeigen, dass man sich seiner globalen Verantwortung diesmal stellen will. Auf der Weltbühne gilt es noch immer den Eindruck zu korrigieren, den die letzte Mitgliedschaft hinterließ, vor allem die Enthaltung im Libyen-Konflikt im Jahr 2011. Diese wurde damals von den Medien als »unverantwortlich« kritisiert. Diesmal will Deutschland die Mitgliedschaft im Rat nutzen, um für die Vereinten Nationen zu werben. Und das ist in Zeiten der Krise des Multilateralismus gut und lobenswert.

Für die nachhaltige Unterstützung des Multilateralismus wäre es aber wichtig, dass die Bedeutung der UN für die Politik auch in Deutschland betont wird. Innen- und Außenpolitik werden nach wie vor als getrennte Sphären betrachtet, obwohl die Mehrzahl globaler Normen innenpolitische Auswirkungen hat. Bestes Beispiel ist die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung (Agenda 2030), die auch eine kohärente Abstimmung der Außen- und Innenpolitik fordert. Sie ist aber weder im Sicherheitsrat noch in der deutschen Innenpolitik besonders präsent. Und wie wichtig eine offensive Informationspolitik im Innern ist, zeigte sich zuletzt beim Globalen Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration. Deutschland ist angetreten, die regelbasierte internationale Ordnung zu stärken. Dazu gehört, die Relevanz internationaler Normen für das eigene Land hervorzuheben.

Hiervon würde die Glaubwürdigkeit Deutschlands profitieren. Man kann nicht in New York den Musterschüler geben, wenn die eigenen Hausaufgaben nicht gemacht werden. Einige Beispiele: Deutschland setzt sich dafür ein, den Klimawandel als Sicherheitsrisiko ernst zu nehmen – China und Russland, so wird betont, steuern gegen. Kein Wort dazu, dass Deutschland seine Klimaziele für das Jahr 2020 verfehlt. Menschenrechtsverletzungen werden kritisiert, wenn China die Uiguren unterdrückt oder in Istanbul Journalistinnen und Journalisten verhaftet werden. Gegenüber befreundeten Staaten scheut man sich aber, etwa auf die Tötung von Zivilpersonen und andere Menschenrechtsverletzungen hinzuweisen, zu denen europäische Rüstungsexporte indirekt beitragen.
Die durch die Ratsmitgliedschaft generierte, außergewöhnlich hohe Aufmerksamkeit der deutschen Medien und Öffentlichkeit sollte Deutschland nutzen, um den Wert der Vereinten Nationen für Deutschland ebenso zu betonen wie den Wert Deutschlands für die UN – damit von der Ratsmitgliedschaft noch mehr übrig bleibt.