Standpunkt | Fokus verpasst, aber Versprechen auf die Zukunft
Mit der Verabschiedung des Globalen Digitalpakts (Global Digital Compact – GDC) im September dieses Jahres haben sich die Vereinten Nationen gerade noch rechtzeitig auf den Weg gemacht, die digitale Entwicklung in einen globalen Regelungsrahmen einzubetten. Mit ihrer Vision für eine inklusive, offene und sichere digitale Zukunft setzen sie ein Zeichen für Zusammenarbeit und gegen nationale Alleingänge. Ins Zentrum dieser Vision wäre jedoch die klar fokussierte Unterstützung und Weiterentwicklung digitaler, offener und kollaborativer Räume wichtig gewesen, in denen an digitalen öffentlichen Gütern (Digital Public Goods – DPGs) gearbeitet wird. Zu den bekanntesten Gütern gehören das Kartenprojekt OpenStreetMap oder die Enzyklopädie Wikipedia. Angesichts der Trends zu Renationalisierung und ›Der Gewinner bekommt alles‹-Visionen bei der Entwicklung von künstlicher Intelligenz (KI) ist das Versäumnis kaum verwunderlich.
Dennoch: Entwicklungsfähige Ansätze im Globalen Digitalpakt sind vorhanden. DPGs werden als Schlüsselfaktoren für inklusive digitale Transformation und Innovation anerkannt. Sie sollen kartiert, gefördert und mit Hilfe von Partnerschaften und offenen Standards weiterentwickelt werden. Klug war zudem die Aufnahme von offenen KI-Modellen als DPG. Wenn jeder Staat seine eigene – geschlossene – KI entwickeln würde, könnten wir unseren Planeten unmöglich bewohnbar halten: Allein der enorme Strom- und Wasserverbrauch der für KI-Anwendungen errichteten Rechenzentren, die sich im Besitz einzelner Megakonzerne befinden, gefährdet sehr unmittelbar die globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals – SDGs). Es geht aber auch um Ungleichheit: Finanziell wären selbst die europäischen Staaten zusammen nur schwer in der Lage, das Investitionsvolumen in KI abzudecken, das alleine der Konzern Meta für jedes Jahr angekündigt hat: 99 Milliarden US-Dollar.
Eine gemeinsame Entwicklung von KI-Modellen bleibt für die meisten Staaten und Gesellschaften die einzige Möglichkeit, an dieser Schlüsseltechnologie der Zukunft teilzuhaben. Zugleich bieten sich riesige Chancen, mit einer solchen Zusammenarbeit die Vielfalt der Welt abzubilden und dadurch zu besseren Ergebnissen gerade bei KI-Anwendungen zu kommen. Ein kollaborativer Ansatz erfordert aber bestimmte Voraussetzungen:
- Erstens darf die Arbeit an DPGs nicht beeinträchtigt werden, etwa durch Internet-Abschaltungen oder über die Verfolgung von Personen, die an ihnen mitarbeiten. Das Recht auf Verschlüsselung und anonyme Mitarbeit ist sehr bedeutend.
- Zweitens brauchen diese Projekte Unterstützung. Das kann mit besserem Zugang zu öffentlichen Daten und Informationen gelingen, durch die Arbeit an gemeinsamen offenen Schnittstellen und Standards oder durch die Förderung nationaler Initiativen, die sich mit digitalen Gemeinwohlgütern befassen.
- Drittens kann eine öffentliche, transparent regulierte und geführte Infrastruktur mit Servern, Datenleitungen und passenden Sicherheitsroutinen helfen.
Weil Zusammenarbeit nur mit Vertrauen funktioniert, sind Transparenz, ein hohes Schutzniveau etwa bei der Einhaltung der Menschenrechte und integrativ organisierte Zusammenarbeit essenziell. Die UN wissen das, es sind ihre Prinzipien. Wenn es ihren Mitgliedstaaten gelingt, die Angst zu überwinden, im Digitalen den Anschluss zu verlieren, etwa bei technischen Innovationen oder gegen Desinformation, dann kann der GDC ein echter Auftakt für eine Welt sein, in der wir alle leben wollen – und ein erneuertes UN-System.