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Was folgt aus der Berliner Libyen-Konferenz?

Jalel Harchaoui, geb. 1972, ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Konfliktforschung des Clingdael-Instituts in Den Haag. Er argumentiert, dass im UN-Sicherheitsrat alle internationalen Konfliktparteien öffentlich benannt werden müssen, die in Libyen involviert sind.

Russland enthält sich während der Abstimmung im Sicherheitsrat der Stimme durch Handhebung.
Der Sicherheitsrat verabschiedet die Resolution 2510(2020) über die am 19. Januar 2020 in Berlin einberufene Konferenz zu Libyen. Er billigte die Schlussfolgerungen der Konferenz, die ein wichtiges Element einer umfassenden Lösung für die Lage in Libyen darstellen. Die Resolution wurde mit einer Enthaltung durch Russland angenommen. UN Photo: Manuel Elias

Seit dem Sturz des libyschen Diktators Muammar Al-Gaddafi haben externe Akteure wie Katar, Frankreich und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) niemals aufgehört, Waffen nach Libyen zu liefern. Sie verletzen damit das vom UN-Sicherheitsrat beschlossene Waffenembargo aus dem Jahr 2011. Die jüngsten Kämpfe brachen im April 2019 aus, als eine bewaffnete Koalition unter dem Kommando des in Ostlibyen ansässigen Militärmachthabers Chalifa Haftar – hauptsächlich mit Unterstützung der VAE – eine Großoffensive gegen die international anerkannte Regierung der Nationalen Einheit (GNA) in Tripolis einleitete.

Der Bürgerkrieg ist heute gefährlicher und internationalisierter als je zuvor. Seit Beginn der aktuellen Kampfhandlungen haben die VAE im Auftrag Haftars 850 Drohnenangriffe sowie einige Dutzend Angriffe mit von den VAE betriebenen Kampfjets durchgeführt. Auf der Seite der GNA hat die Türkei rund 250 Drohnenangriffe ausgeführt. Gleichzeitig versäumt es der Sicherheitsrat seit fast einem Jahrzehnt, die Mitgliedstaaten, die gegen die Resolution 1971 verstoßen, ausdrücklich zu benennen.

Um den Konflikt zu befrieden, trafen sich alle in den Libyen-Konflikt involvierten wichtigen Akteure im Januar 2020 in Berlin. Trotz ihrer Teilnahme zeigten sie, dass sie an der Einhaltung des Völkerrechts nicht interessiert sind. Die Libyen-Konferenz war der Höhepunkt monatelanger Arbeit Deutschlands, das bereits Ende August 2019 die diplomatische Initiative zur Einhaltung des Waffenembargos startete. Die Idee, nicht nur die Türkei, sondern auch die VAE einzubinden, ging erstmals vom UN-Sondergesandten Ghassan Salamé aus. Allerdings gibt es weiterhin keinen Durchsetzungsmechanismus zur Kontrolle von Schiffen, Konvois oder Flugzeugen. Deutschland sollte daher über die Berliner Konferenz hinaus weitere internationale Treffen hinter verschlossenen Türen organisieren. Dabei gilt es, der Eindämmung illegaler Waffenlieferungen nach Libyen höchste Priorität beizumessen, denn die gesamte weitere Entwicklung des Landes hängt davon ab.

Die Türkei hat Ende letzten Jahres ihre Militärintervention offiziell angekündigt. Die VAE jedoch konnten sich hinsichtlich ihrer inoffiziellen militärischen Intervention in Libyen auf das Schweigen der westlichen Mächte verlassen. Rhetorisch, geografisch, militärisch und politisch sind die Erzfeinde Ankara und Abu Dhabi unterschiedlich stark aufgestellt und alles spricht für die VAE. So ist zwar der jüngste Vorschlag der Europäischen Union (EU), die Operation ›Sofia‹ wiederzubeleben, ein lobenswerter Schritt, um die Waffenlieferungen auf dem Seeweg nach Libyen zu überwachen. Er kann allerdings nur die Türkei behindern, nicht aber die VAE, da sie Waffen hauptsächlich über den Luft- und Landweg über Ägypten liefern. Der Sicherheitsrat sollte nicht zulassen, dass eine Initiative wie die Opera­tion ›Sofia‹ die Aufmerksamkeit von dem größeren und schwierigeren Ziel ablenkt, nämlich die Völkerrechtsverletzungen der VAE zu vereiteln.

Aufgrund ihrer Verbindung zum politischen Islam, der Militärintervention in Nordsyrien und der Suche nach Erdgas in den Gewässern um Zypern ist die Türkei diplomatisch isoliert. Die VAE dagegen genießen eine enge strategische Allianz mit dem ständigen UN-Sicherheitsratsmitglied Frankreich. Auch alle anderen westlichen Regierungen erachten die VAE als einen unverzichtbaren Gesprächspartner in der arabisch-sunnitischen Region, aus der sich die USA langsam zurückziehen. Die restlichen Regierungen befürchten deshalb, sich von Abu Dhabi zu entfremden und damit dessen völkerrechtswidriges Verhalten in Libyen anzuerkennen.

Umso dringender ist es, dass die UN insgesamt das Tabu um das Engagement der VAE in Libyen brechen. Sie müssen einen Weg finden, die VAE durch Namensnennung zur Verantwortung zu ziehen, um eine weitere Eskalation zu verhindern.

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