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Sollte Deutschland dem nuklearen Verbotsvertrag beitreten? Nein!

Jan Techau ist Senior Fellow und Direktor des Europaprogramms beim German Marshall Fund of the United States. Er plädiert gegen einen Beitritt Deutschlands zum Vertrag über das Verbot von Kernwaffen.

Deutschland sollte dem Vertrag über das Verbot von Kernwaffen (Treaty on the Prohibi­tion of Nuclear Weapons – TPNW) nicht beitreten. Es gibt keinen einleuchtenden politischen oder militärischen Grund, warum das Land ein Instrument verbieten sollte, das für seine eigene Sicherheit und seinen Schutz vor politischer Erpressung von Bedeutung ist. Der nukleare Schutzschirm der USA ist der entscheidende Grund dafür, dass Deutschland seine Außenpolitik an jener seiner demokratischen, westlichen Bündnispartner ausrichten kann, statt dauerhaft in den Einfluss­bereich Russlands oder Chinas oder anderer, nicht-freiheitlicher Kernwaffenstaaten zu fallen.

Solange Mächte über Kernwaffen verfügen, deren Ziel die Einschränkung der Handlungsfähigkeit Deutschlands ist, hat Deutschland ein Interesse am Schutz durch Kernwaffen seiner Alliierten. Es kann sich deshalb auch nicht mit seinen Partnern in der Nordatlantikvertrags-Organisation (NATO), die auch ein Nuklearbündnis ist, überwerfen.
Ein Verbot hätte nur dann Sinn, wenn auch Staaten, denen Verbote dieser Art gleichgültig sind, zur Einhaltung gezwungen werden könnten. Es gibt jedoch keine Instanz, die dauerhaft dazu in der Lage ist, die Durchsetzung des Rechts zu erzwingen. Staaten mandatieren und kontrollieren sich fallweise selbst, wie die Praxis der Vereinten Nationen eindrucksvoll beweist. 
In einer solchen Rechtsrealität ist es nicht zielführend, ein nicht durchsetzbares Vertragswerk, das noch dazu den eigenen Interessen abträglich ist, zu unterstützen. Ein Verbot, das nicht durchsetzbar ist, unterminiert Geltung und Strahlkraft des Rechts. Das Verbot von Kernwaffen ist daher nicht nur politisch und militärisch abwegig, es schadet auch dem Ansehen des Völkerrechts insgesamt.

Nun ist es rechtstheoretisch und auch moralisch unbefriedigend, die Sinnhaftigkeit eines Verbots allein von der Möglichkeit seiner Durchsetzung abhängig zu machen. Noch unmoralischer aber wäre es, das Land durch einen Akt reiner Gesinnungsethik, bei dem also die ›richtige‹ Haltung wichtiger ist als das tatsächliche Ergebnis, in sicherheitspolitisch unwägbares Terrain zu lotsen. In einer unsicheren Welt, in der Sicherheit nicht auf dem Rechtsweg, sondern zuvorderst über eigene Stärke zu haben ist, werden die pragmatischen Erwägungen die theoretischen stets ausstechen. Für eine verantwortungsvoll handelnde Politikerin oder einen Politiker müssen sie das auch. 

Die Kampagne zum Verbot von Kernwaffen weiß all dies und versucht deshalb, den moralischen Druck auf Regierungen zu verstärken. Ziel ist es, den innenpolitischen Preis für das Festhalten an nuklearer Abschreckung so zu erhöhen, dass Politikerinnen und Politiker nicht standhaft bleiben können. Das Fatale an dieser Strategie ist, dass sich dieser moralische Druck nur in offenen und demokratischen Gesellschaften aufbauen lässt, in denen Regierende sich der Wählerschaft stellen müssen. Autoritäre und diktatorische Regime kümmert diese Form der politischen Kosten-Nutzen-Rechnung nicht. So schwächt die Kampagne im globalen Ringen um Einfluss und Widerstands­fähigkeit die freiheitlichen Demokratien, also gerade jene Akteure, die noch am ehesten universelle Werte und Rechte gegen die Anfeindungen und Übergriffe autoritärer Regime verteidigen. Die tragische Ironie der Verbotskampagne ist es, dass sie das, was sie letztlich zu schützen vorgibt, am Ende schwächt. 

Die eigene Position zum TPNW hängt im Kern davon ab, ob man zur Erlangung von Sicherheit in einer unsicheren Welt die Logik der Abschreckung, also von Macht und Gegenmacht, für legitim und ausschlaggebend hält oder nicht. Wer die Welt durch diese eher nüchterne, illusionslose Brille betrachtet, wird pragmatisch handeln. Das Verbot von Kernwaffen gehört nicht dazu.

Zum Standpunkt | Sollte Deutschland dem nuklearen Verbotsvertrag beitreten? Ja! von Philipp Holz in diesem Heft.

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