Vor 30 Jahren kam der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen einem Wunsch der Organisation der Afrikanischen Einheit (Organization of African Unity, OAU) nach und tagte in einer seiner äußerst raren Zusammenkünfte außerhalb des UN-Sitzes zum ersten und bisher einzigen Male auf dem afrikanischen Kontinent. Im Verlaufe einer Woche befaßte er sich Ende Januar und Anfang Februar 1972 in Addis Abeba mit den damals akuten Problemen des Kolonialismus und Rassismus. Fragen im Zusammenhang mit Afrika besitzen auch heute zumindest quantitativ hohen Stellenwert in den Beratungen dieses mit der »Hauptverantwortung für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit« betrauten UN-Hauptorgans; anläßlich der Behandlung der ›Situation in Afrika‹ im Januar 2002 erinnerte die Stellvertretende Generalsekretärin der Vereinten Nationen, Louise Fréchette, daran, daß gegenwärtig afrikanische Themen etwa 60 vH der Zeit des Sicherheitsrats in Anspruch nehmen. Die Zusammenarbeit zwischen dem Rat und der OAU – der künftigen Afrikanischen Union (African Union, AU)1 – verläuft im Grunde zufriedenstellend, aber es gibt doch einige Reibungspunkte. Zu diesen zählt in erster Linie der afrikanische Anspruch, in einem reformierten und erweiterten Sicherheitsrat angemessen vertreten zu sein. Ein anderes Problem ist das der unzureichenden Befolgung von vom Rat verhängten Zwangsmaßnahmen durch OAU-Mitgliedstaaten. Diese mangelnde Kooperationsbereitschaft ist zum Teil ebenfalls mit der Frage verbunden, inwieweit der Sicherheitsrat die gegenwärtige Staatenwelt repräsentiert. Denn in der OAU herrscht offensichtlich der Eindruck vor, der Rat habe sich am Beginn des 21. Jahrhunderts zu einem Instrument zur Durchsetzung der hegemonialen Interessen der einzig verbliebenen Supermacht entwickelt. Defizite bei der Ausführung von UN-Sanktionen unterminieren freilich nicht nur die Autorität des Sicherheitsrats, sondern drohen auch das Verhältnis der OAU zu den Vereinigten Staaten und Großbritannien, den führenden Mächten im Rat, zu belasten.