Die syrische Tragödie
»Syrien ist die Hölle auf Erden« – mit diesen Worten beschrieb UN-Generalsekretär António Guterres die katastrophale humanitäre Lage der Zivilbevölkerung. Seit Beginn des Bürgerkriegs im Jahr 2011 erleben die Menschen einen der gegenwärtig blutigsten Konflikte mit fatalen Konsequenzen für das Land und die Region. Nach Schätzungen sind mittlerweile mehr als eine halbe Million Menschen während des Konflikts ums Leben gekommen. Laut dem Amt des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) sind mehr als fünf Millionen Syrerinnen und Syrer aus dem Bürgerkriegsland geflohen. Hinzu kommen mehr als sechs Millionen Menschen, davon 2,5 Millionen Kinder, die als Binnenvertriebene (IDPs) ihre Heimat verloren haben. Damit befindet sich nach nunmehr acht Jahren Krieg die Hälfte der syrischen Bevölkerung auf der Flucht. Trotz dieser erdrückenden Zahlen, mit denen sich so viele individuelle Schicksale verbinden, ist die internationale Staatengemeinschaft handlungsunfähig. 18 Vetos blockierten seither weitergehende Entscheidungen des Sicherheitsrats. Gleichzeitig stagnieren die Genfer Friedensgespräche und eine Entscheidungsschlacht um die Provinz Idlib steht bevor. Der Frage, wie es in Syrien weitergehen kann, gehen die Autorinnen und Autoren in dieser Ausgabe nach.
Angesichts dieser eingeschränkten Handlungsmöglichkeiten der Vereinten Nationen ist nach Ansicht von Bente Scheller schwer absehbar, welche Rolle die Weltorganisation in einer syrischen Nachkriegsordnung spielen wird. Klar ist, dass eine systematische strafrechtliche Aufarbeitung der Völkerrechtsverbrechen in Syrien nicht in Sicht ist. Patrick Kroker argumentiert, dass es dennoch erhebliche Bemühungen der internationalen Gemeinschaft gibt, die Verbrechen strafrechtlich zu untersuchen. Wie dies im Einzelnen geschehen kann, erklärt Michelle Jarvis, die stellvertretende Leiterin des Internationalen, unparteiischen und unabhängigen Mechanismus für Syrien (III M) in der Rubrik ›Drei Fragen an‹. Bis heute gilt der Syrien-Konflikt als weltweit größte humanitäre Krise neben dem Krieg in Jemen. Die Missachtung der Prinzipien humanitärer Hilfe sowie die anhaltende Not der Zivilbevölkerung machten die Krise zu einem ›Labor‹ für die Zukunft der humanitären Hilfe initiiert von UN-Hilfsorganisationen und der Zivilgesellschaft, so die Analyse von Martin Quack und Ralf Südhoff.