Als am 10. Juni ein Vertreter Chinas am Sitz der Vereinten Nationen vor die Presse trat, um die Haltung Beijings zur Kosovo-Resolution des Sicherheitsrats zu erläutern, wies er mit Nachdruck darauf hin, daß nunmehr der Vorrang dieses Hauptorgans wiederhergestellt sei. Im Blick auf den Luftkrieg der NATO gegen die Bundesrepublik Jugoslawien meinte er, derartige Aktionen könnten ohne vorherige Genehmigung durch den Rat nicht wieder durchgeführt werden. Er bezog sich damit auf den auf Drängen Chinas aufgenommenen ersten Absatz der Präambel der Entschließung 1244(1999), in der »der Hauptverantwortung des Sicherheitsrats für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit« Rechnung getragen wird. China ließ die Resolution im Sicherheitsrat passieren, indem es Stimmenthaltung übte. Vorangegangen waren Bemühungen nicht zuletzt der deutschen Diplomatie, die Vetomacht China in eine tragfähige Lösung einzubeziehen. Dies war keine einfache Aufgabe, hatte sich doch China nicht nur von Anfang an gegen die Aktion der NATO- Staaten gewandt, sondern war auch direkt in Mitleidenschaft gezogen worden. Seine Botschaft in Belgrad wurde am 7. Mai bombardiert; der Angriff forderte drei Tote und mehr als 20 Verletzte. Das Bedauern, das der Präsident des Sicherheitsrats in seiner Erklärung vom 14. Mai ausdrückte, und die Entschuldigung der NATO wurden in China längst nicht als zureichend empfunden. Die sonst weitgehend in der UN-Politik Beijings geübte Zurückhaltung wurde ein Stück weit aufgegeben. Dies bietet Anlaß, sich erneut mit der Haltung Chinas zu den Vereinten Nationen wie auch grundsätzlicher mit den Prinzipien und der Praxis Beijings in Fragen der Weltordnung auseinanderzusetzen.